DER SICHERHEITSDIENST

69 DSD 4 | 2023 VERGABERECHT Die Vergabekammer geht davon aus, dass dies im vorliegenden Fall nicht möglich war. In den Bewerbungsbedingungen war ausgeführt, dass die Kommunikation mit den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen „ausschließlich über die Vergabeplattform“ erfolgen wird. Weiter war ausgeführt, dass die Registrierung und Nutzung der Vergabeplattform zwingende Voraussetzung für sämtliche Aktivitäten des Bewerbers und des Bieters sei. Die Vergabekammer leitet daraus eine Selbstbindung der Auftraggeberin dahingehend ab, dass die Kommunikation im Vergabeverfahren ausschließlich über die Vergabeplattform stattfinden sollte. Die Auftraggeberin habe sich hieran im Wesentlichen auch gehalten, im Falle der Nachforderungsschreiben jedoch nicht. Eine nachträgliche Änderung dieser Selbstbindung komme nicht in Betracht. Zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem jeweiligen Bieter kommt – spätestens – ab dem Zeitpunkt der Angebotsabgabe ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande, das zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet. Dies verlangt gemäß § 241 Abs. 2 BGB auch die Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Die Auftraggeberin habe dieser Verpflichtung mit ihrer Handlungsweise widersprochen, in dem sie von dem angekündigten Kommunikationsweg abwich und zusätzlich Indizien für den fehlgeschlagenen Zugang bzw. die Abwesenheit des zuständigen Bearbeiters bei der Beigeladenen ignorierte. Es sei unter diesen Umständen treuwidrig, sich auf den formalen Zugang des Nachforderungsschreibens zu berufen, sodass die Frist zur Beantwortung der Nachforderung nicht wirksam ausgelöst worden sei. Die noch nach Ablauf der Frist erfolgte Aufklärung und Nachreichung der Beigeladenen sei daher zu berücksichtigen. Die Entscheidung der Auftraggeberin, das Angebot in der Wertung zu belassen, sei daher nicht zu beanstanden. Ein Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen war daher nicht angezeigt. Zudem seien auch keine anderen Ausschlussgründe für das Angebot der Beigeladenen ersichtlich. Insbesondere habe keine fehlerhafte Ermittlung des wirtschaftlichen Angebotes durch die Auftraggeberin stattgefunden. Der Nachprüfungsantrag war daher im Ergebnis unbegründet. 3. Praxishinweise Die Entscheidung zeigt, dass sich der öffentliche Auftraggeber an von ihm selbst festgelegte Standards und Vorgaben auch halten muss. Macht der Auftraggeber Vorgaben zum Kommunikationsweg, die in erster Linie von den Bietern zu beachten sind, erfolgt dennoch eine Selbstbindung. Die Vergabekammer legt hier das zwischen den Beteiligten des Vergabeverfahrens entstehende vorvertragliche Vertrauensverhältnis so aus, dass der Auftraggeber gefordert ist, den Zugang versendeter Nachrichten jedenfalls bei begründeten Zweifeln zu prüfen. Zudem darf er vom vorgegebenen Kommunikationsweg nicht abweichen. Vorliegend wäre der Fall wohl anders zu entscheiden gewesen, wenn das Nachforderungsgesuch über die Vergabeplattform verschickt worden und innerhalb der Frist unbeantwortet geblieben wäre. Insofern sind auch die formalen Rahmenbedingungen des Vergabeverfahrens genau zu prüfen und zu beachten. Vorgabe des Auftraggebers hinsichtlich des Kommunikationsweges sind zu berücksichtigen. Ebenso ist jedoch in identischer Weise darauf zu achten, dass der Auftraggeber nicht von seinen eigenen Vorgaben abweicht. Bild: # 1319879300 / istockphoto.com

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