DER SICHERHEITSDIENST

66 DSD 4 | 2023 RECHT Arbeitsrecht in Kürze Von Rechtsanwältin Cornelia Okpara stellv. Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) RAin Cornelia Okpara Krankengeld auch bei verspäteter ArbeitsunfähigkeitsFolgefeststellung BSG, Urteil vom 21. September 2023 – AZ: B 3 KR 11/22 R Ein Arbeitnehmer kann weiter Anspruch auf Krankengeld von seiner Krankenkasse haben, auch wenn die ArbeitsunfähigkeitsFolgefeststellung zwei Tage zu spät erfolgt, wenn er diese Verspätung nicht selbst verschuldet hat. Das BSG entschied, die Verspätung könne dem Arbeitnehmer dann nicht angelastet werden, wenn die Verzögerung durch eine Überlastung der Arztpraxis entsteht. Im Streit steht die Zahlung von weiterem Krankengeld vom 18. Juni bis 11. September 2018. Die 1966 geborene, bei der beklagten Krankenkasse AOK Bayern versicherte Klägerin bezog fortlaufend und über das Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses zum 30. April 2018 hinaus Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit, zuletzt ärztlich festgestellt bis voraussichtlich Sonntag, 17. Juni 2018. Zu einer Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit durch – wie schon zuvor – ihren Hausarzt am 18. Juni 2018 kam es nicht. Die Klägerin suchte ohne vorherige Terminvereinbarung an diesem Tag die Arztpraxis auf und erhielt wegen hohen Patientenaufkommens einen Termin für den 20. Juni 2018, an dem die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wurde. Die Zahlung von weiterem Krankengeld ab dem 18. Juni 2018 lehnte die Beklagte ab, weil die Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit nicht am 18. Juni 2018, sondern erst am 20. Juni 2018 ärztlich festgestellt worden sei und diese Feststellungslücke die Mitgliedschaft aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit Anspruch auf Krankengeld nicht aufrechterhalten habe. Das SG verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide, der Klägerin im streitigen Zeitraum Krankengeld zu gewähren, und es stellte fest, dass die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten fortbesteht. Das LSG wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch seien erfüllt. Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügte die Beklagte die Verletzung von § 46 Satz 1 Nummer 2 und § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V. Die Klägerin habe ohne rechtzeitig vereinbarten Termin erstmals am letztmöglichen Tag die Arztpraxis aufgesucht und sich um einen Arzttermin zur erneuten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bemüht. Sie habe nicht damit rechnen können, kurzfristig am gleichen Tag vorstellig werden zu können. Das Risiko, nicht umgehend einen Termin zu erhalten, liege allein in ihrem Bereich und nicht im Verantwortungsbereich des Arztes. Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten war unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten über den 17. Juni 2018 hinaus erhalten geblieben ist und sie weiteres Krankengeld bis zum 11. September 2018 beanspruchen kann. Zwar erfolgte keine erneute ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung am 18. Juni 2018, sondern erst am 20. Juni 2018. Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Bewilligung von Krankengeld nötigen Arbeitsunfähigkeits-Feststellung beendete damit an sich die nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V aufrechterhaltene Pflichtmitgliedschaft und den Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld ab 18. Juni 2018. Grundsätzlich hat der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung erfolgt. Insoweit sind in der Rechtsprechung des BSG aber enge Ausnahmen anerkannt worden, bei deren Vorliegen der Versicherte so zu behandeln ist, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Einem „rechtzeitig“ erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit steht es danach gleich, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist. Ob dem so ist, erfordert eine wertende Betrachtung der Risiko- und Verantwortungsbereiche des Versicherten, des Arztes und der

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