DER SICHERHEITSDIENST

57 DSD 4 | 2023 WIRTSCHAFTSSCHUTZ Veränderte Methoden der Spionage der Russischen Föderation auf deutschem Boden Von Klaus Henning Glitza Es ist eines der Kennzeichen der Spionage, dass sie möglichst geräuschlos im Verborgenen ablaufen sollte. Wenig Publicity, das bedeutet auch wenig Gefahrenbewusstsein, nur schwache Abwehroptionen und wenig Sensibilität in der Zivilgesellschaft. Die Existenz des mit Abstand größten Nachrichtendienst der Welt, der NSA, wurde viele Jahre offiziell in Abrede gestellt. Wortspiel„No such agency“. Wenn ein Geheimdienst von diesem Grundprinzip abweicht, dann muss schon eine „sehr spezielle Situation“ vorherrschen. Eine solche zugespitzte Situation ist nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eingetreten, sondern bereits 2014, als die Krim annektiert wurde. Ein zusätzlicher Schub folgte im zeitlichen Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wirkung vor Deckung, das ist die Maxime von heute. Die deutschen Abwehrbehörden haben seit dem Embargomaßnahmen gegen Russland eine rasante Zunahme der russischen Wirtschaftsspionage festgestellt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Russland, ein Riese auf wirtschaftlich tönernen Füßen, für seine Waffensysteme auf westliche Produkte oder Know-how angewiesen ist. Von höchstem Interesse sind Details über Rüstungsgüter, die an die Ukraine geliefert werden. Und es geht darum, Lücken im sogenannten Sanktionsregime aufzuspüren. Unterdessen geht die übliche Wirtschaftsspionage unvermindert weiter. Im Visier steht auch die Bundeswehr und somit auch deren Zulieferfirmen, wobei auch hier das vorherige Prinzip der höchstmöglichen Unauffälligkeit auf der Strecke geblieben ist. So wurden über einem Bundeswehrstandort, in dem ukrainischen Armeeangehörige ausgebildet werden, kamerabestückte Minidrohnen gesichtet. Rund um Kasernen in Grafenwöhr und Idar-Oberstein sind verdächtige Fahrzeuge aufgefallen. Zudem berichtet der MAD von einem Boom bei Anwerbeversuchen von Bundeswehrangehörigen. Ein weiterer Auslöser dieses GeheimdienstTsunamis ist eine der massivsten Ausweisungsaktionen seit Ende des Krieges. Das Auswärtige Amt erklärte im April des vergangenen Jahres 40 russische Diplomaten der Berliner Botschaft der Russischen Föderation zu Personae non gratae, unerwünschten Personen, die das Land schnellstens zu verlassen hätten. Es liegt nahe, dass diese „Diplomaten mit zwei Berufen“ nicht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, sondern es sich dabei um besonders umtriebige Spitzenkräfte des sogenannten zweitältesten Gewerbes handelte. Auch andere Länder zeigten die rote Karte. In Europa wurden rund 400 „Diplomaten“ aus 24 der 30 NATO-Mitgliedsländer ausgewiesen. Ein Verlust, den selbst die überaus personalstarken russischen Dienste nicht ohne Weiteres wettmachen konnten. Rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Botschaft in Berlins Prachtstraße „Unter den Linden“ akkreditiert. Der Verfassungsschutz schätzt rund ein Drittel davon als Kräfte mit zwei Berufen ein. Interessant ist dabei, dass nicht nur Angehörige des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR unter diesen Spionen im Diplomatenfrack sind, sondern zahlreiche Offiziere des Militärgeheimdienstes GRU und des Inlanddienstes FSB. Die GRU, zu Deutsch Verwaltung für Aufklärung, ist ein Apparat, der als einziger russischer Nachrichtendienst nicht nur seinen Namen aus Sowjetzeiten behielt, sondern auch personell die geringsten Veränderungen Ehemaliger Redakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, Träger des Deutschen Förderpreises Kriminalprävention (Stiftung Kriminalprävention, Münster) und seit 2003 als Fachjournalist für Sicherheitsfragen tätig. Klaus Henning Glitza Bild: Karl-Heinz Liebisch/pixelio.de Ein festungsartiger Gebäudekomplex von monumentalen Ausmaßen: die 1951 fertiggestellte Botschaft der Russischen Föderation in Berlin-Mitte, Unter den Linden.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==