DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 43 DSD 4 | 2023 mehr.“ Ein weiterer Faktor erinnert Peters an die RAF: „Ein Grund für deren Radikalisierung bestand darin, dass sich die Terroristen in einer Blase mit Gleichgesinnten befanden und kein Feedback mehr von außen zu ihnen durchdrang.“14 Ansätze eines solchen Tunnelblicks, der Radikalisierungsprozesse hin zur Gewalt beschleunigen kann, erkennt Peters auch bei den Klimaaktivisten von „Letzte Generation“. Wichtig sei für solche Bewegungen allerdings auch das Umfeld, ein bestimmter Zeitgeist, der den Humus bilde, auf dem die Radikalisierung gedeihen könne. Der RAF hätten solche Sympathien vor allem in der ersten Phase genützt, die Terrororganisation sei dadurch bestärkt worden. Als jedoch 1971 die Morde begannen, spätestens mit der Offensive im Mai 1972, wendeten sich die allermeisten Sympathisanten von der RAF ab. Peters fragt sich daher, wann dies auch bei manchen Klimaaktivisten geschehen werde.15 Am 16. Februar 2022 sprach die „Letzte Generation“ auf Twitter vom Systemwechsel: „Unsere Forderung: Der Systemwechsel, den wir fordern, beinhaltet deshalb auch Maßnahmen für stärkere Mitspracherechte 14 Ebd. 15 vgl. https://www.veko15-online.de/aktuelle-ausgabe/titel/titel-aktionen-und-sprache-der-letzten-generation-legitimer-protest-oder-extremismus.html (13.10.2023) 16 https://twitter.com/aufstandlastgen/status/1493963246184935425 (13.10.2023) 17 https://www17.kriminalpolizei.de/ausgaben/2020/juni/detailansicht-juni/artikel/system-change-not-climate-change.html?tx_web2pdf_pi1%5Baction%5D=&tx_web2pdf_pi1%5Bargument%5D=printPage&tx_web2pdf_pi1%5Bcontroller%5D=Pdf&cHash=40189d08b965f1425cffad55cc12e2f6 (13.10.2023) 18 vgl. ebd. 19 https://twitter.com/aufstandlastgen/status/1493963246184935425 (13.10.2023) 20 vgl. https://www.veko-online.20de/aktuelle-ausgabe/titel/titel-militante-klimaaktivisten-militante-aktionen-und-sprache-vor-und-in-luetzerath.html (13.10.2023) 21 https://twitter.com/aufstandlastgen/status/1493963246184935425 (13.10.2023) 22 vgl. Goertz, S. (2023): (Militante) Klimaaktivisten – zwischen legitimem Protest und Extremismus? In: Kriminalistik 8-9/2023, S. 467–475 der Bevölkerung, insbesondere solche, die geeignet sind, Entscheidungen ohne den Einfluss von Lobbyisten zu fällen und längerfristige, verbindliche Perspektiven zu entwickeln.“16 Dr. Udo Baron, seit 2008 als Referent für den Bereich Linksextremismus im Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen (LfV) zuständig, erklärte im Juni 2020 in seinem Artikel„System Change not Climate Change – Die Klimaschutzbewegung und der Linksextremismus“, dass die Partei DKP „die Aufrufe zu den globalen Klimastreiktagen“ und den „Klimaschutz mit ihrer generellen Systemkritik und ihrem antikapitalistischen Kampf“ verbinde. Weiter führte Baron aus, dass Akteure der „Interventionistischen Linke“ an einer Demonstration in Hannover unter dem Motto „Systemwandel statt Klimawandel“ teilgenommen und damit deutlich gemacht haben, „dass für sie konsequenter Klimaschutz nur möglich ist, wenn der Kapitalismus und der ihn schützende demokratische Rechtsstaat überwunden sind“.17 Weiter erklärt Udo Baron, dass linksextremistische Parteien wie „die MLPD und die DKP und postautonome Gruppierungen wie die ‚Interventionistische Linke‘ im Rahmen ihrer Bündnis- und Kampagnenpolitik unübersehbar den Umwelt- und Klimaschutz“ aufgriffen und versuchten, „über dieses Thema an den demokratischen Protest anschlussfähig zu werden, um ihn langfristig für ihre systemüberwindenden Ziele zu instrumentalisieren“.18 Zusammengefasst: Udo Baron erklärte im Sommer 2020, dass die Begriffe „System überwinden“, „System Change“, „Systemwechsel“ im Kontext von Klimaaktivismus darauf abzielen, das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden. Übertragen auf die Wortwahl der „Letzten Generation“, „der Systemwechsel, den wir fordern“,19 rückt diese Formulierung die Wortwahl und Ziele der „Letzten Generation“ in den Bereich der Extremismusdefinition der Verfassungsschutzbehörden.20 Fazit Um für politische Ziele zu werben, um politische Ziele durchsetzen, sie zu erreichen, sieht die parlamentarische Demokratie Wahlen sowie verschiedene weitere Möglichkeiten vor. Der offene Rechtsbruch allerdings, Straftaten, die von Mitgliedern der Organisation „Letzte Generation“ und anderen Klimaaktivisten in den letzten Monaten zahlreich verübt wurden, sind keine legalen Mittel, um politische Ziele zu erreichen. Der Referent für Linksextremismus des LfV Niedersachsen erklärte im Sommer 2020, dass der Begriff „System überwinden“, „System Change“, „Systemwechsel“ im Kontext Klimaaktivismus darauf aufziele, das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden. Übertragen auf die Wortwahl der „Letzten Generation“,„der Systemwechsel, den wir fordern“,21 rückt diese öffentliche Formulierung die Wortwahl und Ziele der „Letzten Generation“ in den Bereich der Extremismusdefinition der Verfassungsschutzbehörden und diese werden zeitnah zahlreiche Indizien daraufhin prüfen müssen, ob Formulierungen und Aktionen von Teilen der Organisation „Letzte Generation“ extremistisch sind. Die „Letzte Generation“ ist seit bald zwei Jahren in Deutschland aktiv, eine durchaus heterogene Organisation, auch was (potenzielle) Militanz angeht. Mitglieder der „Letzten Generation“ waren bei den Gewaltexzessen in Lützerath dabei, welche Rolle sie dabei gespielt haben, müssen die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden sowie die Gerichte möglichst schnell klären. Das Radikalisierungspotenzial verschiedener Klimaaktivisten ist seit Monaten klar erkennbar, für die Politik, die Sicherheitsbehörden, die Wissenschaft und die Medien. In einer Demokratie darf niemand über dem Gesetz stehen. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Straftaten „im Namen des Guten“ dürfen nicht verübt werden. Nun sind die Politik, besonders die Politiker mit Regierungsverantwortung, die Sicherheitsbehörden, aber auch die Medien und die gesellschaftliche Mitte gefragt.22 Bild: www.peopleimages.com

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