DER SICHERHEITSDIENST

GELD UND WERT 27 DSD 4 | 2023 Eine Welt (fast) ohne Bargeld? Von Stefan Genth Wie bezahlen deutsche Kundinnen und Kunden in Zukunft im Handel? Welche Zahlungsmittel muss bzw. welche kann ein Händler künftig in seinen Shopping-­ Kanälen anbieten? Und welchen Stellenwert bekommt Bargeld? Was ist mit dem digitalen Euro? Diese und weitere Fragen treiben uns heute um, wenn es darum geht, die Handelslandschaft von morgen zu formen. Der Einzelhandel ist geprägt von zunehmender Digitalisierung. Immer mehr Käufe finden im digitalen Raum statt. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen dem stationären Kauf„vor Ort“ und dem internetbasierten Kauf. Self Check-out an Selbstbedienungskassen, mobiles Scanning am Regal mit anschließendem Zahlungsvorgang oder das komplett kassenlose Einkaufen sind nur Stichworte derzeitiger Entwicklungen am POS. Hinzu kommen neue Nutzerführungen im internetbasierten Einkauf, die zunehmende Etablierung von Shopping-Plattformen und Einkäufe in virtuellen Welten. Alles zusammengenommen zeigt, dass Zahlungsvorgänge sich den neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Voraussichtlich werden sich in Zukunft noch mehr Transaktionen in den unbaren Bereich – womöglich bald auch auf den digitalen Euro – verschieben, die Verbraucher werden ihr Verhalten anpassen. Doch wie entwickelt sich Bargeld in diesem Zusammenhang? Ich denke, dass trotz steigender Nachfrage nach unbaren Zahlungsmitteln das Bargeld seinen Stellenwert als bevorzugtes Zahlungsmittel vieler Kunden zumindest auf Sicht behalten wird. Immerhin werden heute noch gut zwei Drittel aller Einkäufe im stationären Handel bar bezahlt. Das EHI Forschungsinstitut bescheinigt der Bargeldnutzung nur geringe Rückgänge von 1 bis 2 Prozent jährlich. Ausnahme war hier nur die Coronazeit, in der überdurchschnittlich viele Kunden die Kartenzahlung für sich entdeckt haben. Der Einzelhandel wird daher auch in absehbarer Zukunft Bargeld selbstverständlich akzeptieren. Allerdings geben die prognostizierten Zahlen auch einen Hinweis auf die weitere Entwicklung. Denn bei weiter sinkendem Bargeldaufkommen ergeben sich Herausforderungen im Bargeldhandling, auf die wir jetzt Antworten finden müssen. Beispiele im Handel sind steigende Beschaffungskosten von Münzen, die als Wechselgeld benötigt würden, sowie höhere Kosten bei der Einzahlung der Bargeldeinnahmen. Für Kunden wird es schwieriger, an Bargeld zu kommen, sollten die Banken die Zahl ihrer Geldausgabeautomaten weiter reduzieren. Das Cashback-Angebot des Handels kann dies nicht auffangen. Wir müssen daher eine intensive Diskussion über die künftige Rolle des Bargelds führen. Es besteht auch aus Handelssicht der Wunsch, Bargeld als alltägliches Zahlungsmittel beizubehalten, große Teile der Bevölkerung sehen das sicher auch so. Allerdings muss der Bargeldkreislauf zwischen Bundesbank, Geschäftsbanken, Dienstleistern, Kunden und Handel auch wirtschaftlich gestaltbar bleiben. Denn ansonsten könnte das System Bargeld auch kippen, wie insbesondere in den nordischen Ländern bereits zu beobachten ist. Wir brauchen daher eine politische Bargeldstrategie, die den Akteuren Planungssicherheit gibt. Wenn Bargeld auf Dauer im Alltag eine Rolle spielen soll, muss sich die Politik frühzeitig dazu bekennen und entsprechende Voraussetzungen für einen effizienten Bargeldkreislauf schaffen. Der Ansatz der Bundesbank unter Federführung von Burkhard Balz ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Das von ihm geplante Bargeldforum kann den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Diskurs führen und Empfehlungen über den Bedarf an Bargeld und den erforderlichen Lastenausgleich formulieren und damit der Politik Handlungsempfehlungen geben. Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland – HDE e. V. www.einzelhandel.de Stefan Genth

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