DER SICHERHEITSDIENST

GELD UND WERT 20 DSD 4 | 2023 zu einem Rückbau von Bargeldbezugspunkten und damit zu einem tendenziell erschwerten Zugang zu Bargeld. Momentan zumindest kann die Versorgungslage aber weiter als gut bezeichnet werden. Noch nicht absehbar sind die Auswirkungen von digitalem Zentralbankgeld auf das Bargeld. Am digitalen Zentralbankgeld forschen und arbeiten derzeit Notenbanken weltweit. Auch das Eurosystem steckt gerade inmitten der Vorarbeiten für einen möglichen digitalen Euro, auch wenn es bis zu dessen Einführung in jedem Fall noch einige Jahre dauern wird. Der digitale Euro soll das Bargeld lediglich ergänzen und nicht ersetzen. Zudem würde ich die Stärken eines digitalen Euros vor allem in denjenigen Bereichen sehen, in die das Bargeld nicht hinreicht. Es ist aber natürlich auch nicht ausgeschlossen, dass digitales Zentralbankgeld die Zahlungsgewohnheiten der Menschen verändern wird und diese dann vermehrt mit digitalen anstatt physischen Euros bezahlen möchten. Ebenso denkbar ist allerdings, dass der digitale Euro vor allem anstelle anderer digitaler Bezahlverfahren (Kartenzahlung, Mobile Payment etc.) verwendet wird. Damit ergibt sich ein gemischtes Bild. Einerseits hat zumindest im Euroraum und anderen entwickelten Volkswirtschaften die Bedeutung des Bargeldes als Zahlungsmittel zuletzt spürbar abgenommen. Andererseits ist seine Bedeutung als Wertaufbewahrungsmittel, gerade in Krisenzeiten, sogar noch gestiegen. Weiterhin ist das Bargeld jetzt bzw. in absehbarer Zukunft mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Die Dystopie: Wie sähe eine bargeldlose Welt aus? Gegenwärtig sind wir weit davon entfernt, in einem Land (oder einer Welt) ohne Bargeld zu leben. Was wäre jedoch, wenn sich das eines Tages ändert? Nehmen wir einmal an, die Dinge entwickelten sich zuungunsten des Bargeldes und dieses verschwände nahezu vollständig aus unseren Portemonnaies und Tresoren. Wie sähe eine solche hypothetische Welt (fast) ohne Bargeld aus? Was würden wir ohne Banknoten und Münzen verlieren? 4 Vgl. Carin van der Cruijsen, Jelmer Reijerink (2023), Uncovering the digital payment divide: understanding the importance of cash for groups at risk, DNB Working Paper 781. 5 Vgl. Sachin Banker, Derek Dunfield, Alex Huang, Drazen Prelec (2021), Neural mechanisms of credit card spending. Sci Rep 11, 4070, 2021. „Nichts würden wir verlieren“ würden vermutlich die Kritiker des Bargeldes antworten. Eine Welt ohne Bargeld funktioniere problemlos. Dies könne man an Volkswirtschaften wie Schweden oder den Niederlanden sehen. Dort sei schließlich der Anteil der baren Zahlungen deutlich geringer als in Deutschland. Doch dieses Argument verfängt meiner Meinung nach nicht. Bargeld macht Volkswirtschaften nämlich deutlich krisenfester. Dies sieht man am Beispiel Schweden. Dort hat man nach einem über mehrere Jahre vollzogenen Rückbau der Bargeldinfrastruktur mittlerweile eine klare Kehrtwende vollzogen und damit begonnen, das Bargeld wiederzubeleben. Ausschlaggebend hierfür waren unter anderem mehrere technische Ausfälle bei Kartenzahlungen in den Jahren 2016 und 2017. Dies führte auch in der schwedischen Zivilgesellschaft zu Unmut, es formierte sich gar ein „Bargeldaufstand“. Mehrere Enquete-Kommissionen zur Sicherstellung des Zugangs zu Bargeld wurden eingesetzt. Deren Arbeit mündete schließlich in einer Änderung des Gesetzes über die schwedische Zentralbank, die nun die übergreifende Verantwortung für die Bargeldinfrastruktur trägt. Als Folge ist der Bau von landesweit vier neuen Bargelddepots geplant. Zudem werden auch die großen Kreditinstitute in die Pflicht genommen, eine Mindestversorgung mit Bargeld sicherzustellen. Das Beispiel Schweden lehrt uns also, dass wir es nicht zu einem Austrocknen der Bargeldinfrastruktur kommen lassen sollten, nur um sie anschließend umso teurer wieder neu zu errichten. Zudem ist Bargeld inklusiv und ermöglicht eine einfache Teilhabe am Wirtschaftsleben für jedermann. Die Zentralbank der Niederlande, einem Land mit ebenfalls eher niedriger Bargeldnutzung, hat kürzlich das Zahlungsverhalten bestimmter Risikogruppen untersucht.4 Hierbei geht es um Menschen mit geringen digitalen Kenntnissen, mit (geistigen) Behinderungen oder mit finanziellen Schwierigkeiten. Die Studie ergab, dass die genannten Gruppen überdurchschnittlich stark auf Bargeld angewiesen sind und zum Teil mit alternativen Zahlungsmöglichkeiten nicht zurechtkommen. Bargeld leistet also einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Inklusion, gerade für Menschen, die in ihrem Alltag besonders herausgefordert sind. Für sie senkt das Bargeld die Barrieren zur Teilnahme am Wirtschaftsleben spürbar. Diese Barrierefreiheit sollten wir meiner Meinung nach unbedingt erhalten! Auch für Menschen ohne besondere Bedürfnisse können Banknoten und Münzen den Umgang mit Geld erleichtern, denn Bargeld ist besonders greifbar und macht unser Ausgabeverhalten sichtbar. In einem 2021 veröffentlichten Artikel haben Forscher des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) mithilfe der Magnetresonanztomografie die Vorgänge im Gehirn von Probanden bei Transaktionen mit Bargeld einerseits und mit Kreditkarten andererseits verglichen.5 Was viele schon geahnt haben, fanden die Wissenschaftler im Labor bestätigt. Bargeld hilft den Menschen dabei, ihre Ausgaben besser unter Kontrolle zu halten. Bei Kreditkartenzahlungen hingegen fällt der „Schmerz des Bezahlens“ geringer aus, sodass die Selbstkontrolle leidet und das Geld freigiebiger ausgegeben wird. Zu Ende gedacht bedeuBild: # 1062547038 / istockphoto.com

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