DER SICHERHEITSDIENST

GELD UND WERT 19 DSD 4 | 2023 Welt (fast) ohne Bargeld? Von Stefan Hardt Das Bargeld, so heißt es oft, sei hierzulande auf dem Rückzug. Doch dieses pauschale Urteil greift zu kurz. Warum eine differenziertere Betrachtung notwendig ist und was genau in einer Welt ohne Bargeld fehlen würde, erläutert Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Deutschen Bundesbank, in einem Gastbeitrag. 1 Vgl. Deutsche Bundesbank (2022), Zahlungsverhalten in Deutschland 2021, S. 41. 2 Vgl. European Central Bank (2022), Study on the payment attitude of consumers in the euro area (SPACE) – 2022, S.18. 3 Vgl. Deutsche Bundesbank (2023), Zugang zu Bargeld in Deutschland: Auswertungen zur räumlichen Verfügbarkeit von Abhebeorten, Monatsbericht, Januar 2023, S. 97. Regelmäßig begegnen mir kritische Stimmen zum Bargeld. Bargeld sei überholt und werde immer weniger genutzt, heißt es da etwa. Es brauche kein Bargeld mehr im digitalen Zeitalter und überhaupt sei die Beschaffung von Bargeld oft zu umständlich. Diesen Stimmen kann ich als Verfechter des Bargeldes und Vertreter einer Institution, die für ihre nüchterne und faktenbasierte Argumentation bekannt ist, natürlich gute Argumente entgegenhalten: Erstens ist der Rückhalt für das Bargeld in der deutschen Bevölkerung ungebrochen. Fast 70 Prozent der in unserer jüngsten Zahlungsverhaltensstudie Befragten halten es für wichtig oder sehr wichtig, mit Bargeld bezahlen zu können.1 Zweitens steigt die Bargeldnachfrage weltweit an. Jährlich werden rund 180 Milliarden Stück Banknoten gedruckt. Auch im Euroraum hat der Banknotenumlauf seit der Einführung des Eurobargelds im Jahr 2002 bis einschließlich 2022 jedes Jahr zugenommen. Zuletzt betrug er zum Stichtag 31. Dezember 2022 rund 1.572 Mrd. Euro. Gerade in Krisenzeiten steigt seine Bedeutung als Wertaufbewahrungsmittel. So konnten wir etwa zu Beginn der Coronapandemie einen regelrechten Run auf das Bargeld verzeichnen. Drittens ist das Bargeld hierzulande nach wie vor das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel am Point of Sale. Im Jahr 2021 erfolgten 58 Prozent aller Zahlungen bar. Damit liegt Deutschland im Euroraum zwar recht weit vorne, ist aber keinesfalls der Spitzenreiter. Gemäß der jüngsten SPACE-Studie der EZB liegt der Anteil der baren Zahlungsvorgänge beispielsweise in Malta, Slowenien und Österreich gar bei 70 Prozent oder mehr.2 Und mein persönlicher Eindruck ist, dass außerhalb des Euroraums, etwa in manchen asiatischen oder afrikanischen Ländern, der Barzahlungsanteil noch einmal höher liegt. Viertens verfügt Deutschland über ein dichtes Netz von mehr als 50.000 Geldautomaten und somit über einen leichten Zugang zum Bargeld. Laut einer von uns im letzten Jahr veröffentlichten Untersuchung müssen Bürgerinnen und Bürger hierzulande im Durchschnitt gerade einmal 1,7 Kilometer bis zum nächsten Geldautomaten oder Bankschalter zurücklegen.3 Kein Wunder, dass auch eine große Mehrheit von über 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den Zugang zu Bargeld als „einfach“ oder „sehr einfach“ einstuft. Zudem steigt die Nutzung alternativer Zugangswege zum Bargeld, etwa das Abheben von Bargeld im Einzelhandel (Cash-Back bzw. Cash-in-Shop). Dennoch würde ich es mir zu leicht machen, wenn ich es nur bei den genannten Zahlen belassen würde, denn Herausforderungen für das Bargeld gibt es durchaus: Die Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel ist in Deutschland, wie auch im Euroraum insgesamt, in der Tat rückläufig. So lag der oben genannte Barzahlungsanteil 2017 noch um 14 Prozentpunkte höher bei rund 72 Prozent. Dieser starke Rückgang in der Bargeldnutzung ist nicht zuletzt auf den Sondereffekt der Coronaviruspandemie zurückzuführen, denn obwohl die Nachfrage nach Bargeld zur Wertaufbewahrung deutlich anstieg, wurde es zum Bezahlen spürbar weniger verwendet. Aber auch vor der Pandemie schon sank der Barzahlungsanteil langsam, aber kontinuierlich. Gegenläufig steigt dementsprechend der Anteil der Zahlungen, die per Karte oder mobil mit dem Smartphone abgewickelt werden. Zudem nimmt auch die Bedeutung des Onlinehandels weiter zu. Hier kann – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – naturgemäß nicht mit Bargeld gezahlt werden. Insgesamt rückläufig ist hierzulande auch die Anzahl der Bankfilialen und Geldautomaten. Der im Wettbewerb herrschende Kostendruck führt Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Deutschen Bundesbank www.bundesbank.de Stefan Hardt

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==