DER SICHERHEITSDIENST

DSDDER SICHERHEITSDIENST 4 | 2023 Fachmagazin für die Sicherheitswirtschaft 75. Jahrgang Postvertriebsstück – DPAG – Entgelt bezahlt | DSA GmbH · Postfach 1201 · 61282 Bad Homburg GELD UND WERT

17. – 20. September 2024 www.security-essen.de Die Leitmesse für Sicherheit SECURE YOUR BUSINESS BUCHEN SIE JETZT!

1 DSD 4 | 2023 EDITORIAL Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) Michael Mewes Bargeld – monetärer Anker des Finanzsystems Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser, traditionell widmet sich der DSD – Der Sicherheitsdienst in seiner vierten Ausgabe des Jahres, so auch 2023, schwerpunktmäßig den Themen aus dem Fachbereich Geld und Wert, insbesondere dem Bargeld. Nach wie vor hält der Angriffskrieg gegenüber der Ukraine an und beeinflusst dadurch – nach den kritischen Coronajahren – weiterhin unsere Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft. Die Folgen waren und sind dramatisch: gestiegene Kosten der Energieversorgung für Strom, Gas und Kraftstoffe mit erheblichen Auswirkungen auch auf die Geld- und Wertdienstleistungsbranche. Hinzu kommen eine hohe Inflationsrate, Rohstoffversorgungsengpässe und unter Druck stehende Lieferketten. Cyberattacken infolge des Ukraine-Krieges, Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines, auf die Verkehrsinfrastruktur der Deutschen Bahn, Naturkatastrophen wie im Ahrtal im Juli 2021, aber auch der mehrwöchige bundesweite Ausfall von Zahlungskartenterminals im Jahre 2022 bzw. der flächendeckende Debitkartenausfall im Sommer 2023 in Deutschland zeigen deutlich auf, welche hohe Bedeutung das Bargeld und die Verfügbarkeit von Bargeld für die Allgemeinheit und Volkswirtschaft in Not- und Krisenfällen, aber auch generell im Alltag haben. Auch das Forschungsprojekt„Resilienz der Bargeldversorgung – Sicherheitskonzepte für Not- und Krisenfälle“ hat die Bedeutung des Bargeldes klar herausgestellt. Ohne Bargeld ist in Not- und Krisenfällen und beim Ausfall unbarer Zahlungsmittel die Versorgung der Bevölkerung gefährdet. Damit die Geld- und Wertdienstleister ihrer Rolle als Dienstleister bei der KRITIS-Bargeldversorgung noch stärker gerecht werden können, ist die Politik aufgefordert, Bevorrechtigungsmaßnahmen beispielsweise beim Tanken und der Telekommunikation oder im Straßenverkehr ebenso umzusetzen wie konkrete Regelungen zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Bargeldinfrastruktur anzupacken. Bargeld ist immer noch das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Bargeld sichert eine barrierefreie, soziale und anonyme gesellschaftliche Teilhabe. Die Versorgung mit Bargeld ist KRITIS-relevant. Bargeld ist integrativ, inklusiv, kostengünstig, effizient und ein sicheres Wertaufbewahrungsmittel. Die Vielschichtigkeit von Bargeld und seine Bedeutung für die Selbstbestimmung von Menschen zeigen sich insbesondere in Krisenzeiten. In diesen steigt die Nachfrage an Bargeld durch die Bevölkerung signifikant. Wir sind froh darüber, dass es einen breiten politischen Konsens national und auf europäischer Ebene darüber gibt, dass das Bargeld erhalten und verteidigt werden muss. Neben einer langfristigen Mindestabdeckung Deutschlands mit Stellen zur Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld benötigen wir jedoch eine bundesweite Verpflichtung zur Annahme von Bargeld in allen Stellen mit direktem Bürgerkontakt. Auch die Versorgung des Handels mit Wechselgeld und ausreichenden Möglichkeiten zur Einzahlung der Einnahmen auf Bankkonten muss dauerhaft gewährleistet sein. Die BDGW setzt sich in ihren Gesprächen mit der Deutschen Bundesbank, Politik, Handel, Banken, Verbraucherschutzorganisationen und Vertretern des BBK intensiv dafür ein, dass die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Zuletzt hat die BDGW den Dialog mit diesen Akteuren im öffentlichen Teil ihrer diesjährigen Jahreshauptversammlung im 7. November 2023 unter Überschrift„Eine Welt (fast) ohne Bargeld?“ fortgesetzt. Die gesetzliche Annahmepflicht des Eurobargeldes ist ein wichtiger erster richtiger Schritt der Europäischen Kommission, den sie mit der Vorlage eines entsprechenden Richtlinienentwurfs am 28. Juni 2023 auf den Weg gebracht hat. Das Bargeld und die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld im Alltag und im Rahmen der KRITIS-Daseinsvorsorge müssen der monetäre Anker des europäischen Finanzsystems bleiben. Die BDGW bleibt auch im Jahre 2024 am Ball! Ich wünsche Ihnen allen einen sicheren und harmonischen Jahresausklang und alles Gute für das kommende Jahr 2024! Ihr Michael Mewes

2 DSD 4 | 2023 EDITORIAL 1 • Michael Mewes: Bargeld – monetärer Anker des Finanzsystems 1 Co-Editorial 3 • Dr. Peter Schwark: Von der Versicherungs- zur Sicherheitswirtschaft 3 Geld und Wert 6 • RA Andreas Paulick: Sicherheitswirtschaft – Bargeldversorgung als Teil von KRITIS 6 • Andreas Goralczyk: Aktuelle bargeldrelevante Initiativen und Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene 10 • Michael Mewes: No (L)Imitation – 25 Jahre Cash Logistik Security AG 15 • Ingo Hartmann: Aktuelle Herausforderungen für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen in 2024 meistern 16 • Hans-Jörg Hisam: ZIEMANN CASHSERVICE – klarer Blick aufs Wesentliche 17 • Dr. Markus Lehnert: Faszination Bargeld: der„Cash Stuffing“-Trend 18 • Stefan Hardt: Welt (fast) ohne Bargeld? 19 • BDGW-Vorstand wieder vollständig 22 • Dr. Wolfram Seidemann: Wie Werttransporteure für einen resilienten Bargeldkreislauf sorgen 23 • Michaela Schröder: Welt (fast) ohne Bargeld? – Die Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher 26 • Stefan Genth: Eine Welt (fast) ohne Bargeld? 27 Who is Who der Geld- und Wertdienstleister 28 Wirtschaft und Politik 31 • Peter Niggl: Sicherheit und Service – Personaler unter Druck 31 • 3. FORSI-Sicherheitstagung 35 • Ralf Servas: Forum Sicherungsdienstleistungen 36 • 9. Bayerischer Sicherheitstag von BVSW und BDSW: Schlaglicht auf aktuelle Sicherheitstrends 38 • Prof. Dr. Stefan Goertz: (Militante) Klimaaktivisten – aktuelle Akteure, ihre Strategien und Taktiken 41 Luftsicherheit 44 • Svenja Wallocha: BDLS startet Imagekampagne #MachwasmitSicherheit 44 • BDLS wählt neues Präsidium 46 Inhalt Termine 47 Aus- und Weiterbildung 48 • Peter Niggl: Azubis finden, aber vor allem binden 48 • KÖTTER Security gewinnt den 11. Ausbildungspreis des BDSW 51 Sicherheitstechnik 52 • Lünendonk-Studie: Sicherheitstechnik treibt Wachstum der Sicherheitsdienstleister 52 IT-Sicherheit 54 • Jörg von der Heydt: Pflichtenheft für IT-Sicherheitsdienstleister 54 Wirtschaftsschutz 56 • Holger Köster: Wie in Zeiten des Kalten Krieges 56 • Klaus Henning Glitza: Veränderte Methoden der Spionage der Russischen Föderation auf deutschem Boden 57 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Analysen und Hilfestellungen zum Wirtschaftsschutz 59 Bericht aus Berlin 60 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: SiGG-Entwurf noch besser machen 60 Europa 64 • Alexander Frank: Ein Jahr im Zeichen von Fachkräftemangel und neuen EU-Regulierungen: Die CoESS zieht ihre Jahresbilanz 64 Recht 66 • RAin Cornelia Okpara: Arbeitsrecht in Kürze 66 Vergaberecht 68 • RA Alexander Nette: Kommunikationswege im Vergabeverfahren?! 68 Intern 70 Namen und Nachrichten 72 Sicherheit von A bis Z 75 Impressum 79 Das Letzte 80 • RAin Cornelia Okpara: Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung 80 Anmerkung der Redaktion: Zur leichteren Lesbarkeit wurde auf zusätzliche Bezeichnungen in weiblicher Form verzichtet und nur die männliche Form verwendet. Angesprochen sind natürlich alle Geschlechter. 23 19

3 DSD 4 | 2023 CO-EDITORIAL Von der Versicherungs- zur Sicherheitswirtschaft Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) Dr. Peter Schwark Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser, von der Versicherungswirtschaft zur Sicherheitswirtschaft, dies beschreibt in wenigen Worten meinen Wechsel vom stellvertretenden Hauptgeschäftsführer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zum Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW). Die Sektoren haben Unterschiede und Gemeinsamkeiten. So geht es beiden Sektoren um die Produktion von Sicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft, es geht um die Reduktion und Kontrolle von Risiken. Während es beim Branchenverband der Versicherer jedoch darum geht, wie die Versicherer ihren Kunden Produkte zur Verbesserung ihrer finanziellen Sicherheit bieten können, geht es bei den Mitgliedern des BDSW und der BDGW in erster Linie um physische Sicherheit, die durch die Mitarbeiter und hochwertige Dienstleistungen der Mitglieder gewährleistet wird. Die Trennlinie ist sicher etwas künstlich, geht es in beiden Bereichen doch auch um die Prävention. Sehr greifbar ist dies etwa beim praktischen Einbruchschutz. Es geht auch um Risikomanagement. Gemeinsam ist beiden Sektoren auch die Frage, wie mit modernen Technologien und KI die Leistung für ihre Kunden noch intelligenter und besser erbracht werden kann, auch um mit dem Megathema Demografie umgehen zu können. Das Thema Personalmangel steht angesichts des sich nähernden Ruhestands der BabyboomerJahrgänge erst am Anfang und wird ein steter Begleiter sein über die nächsten Dekaden. Personalgewinnung und Personalbindung sind zentrale Themen, die auch die Tarifpolitik der Verbände mit prägen wird. Topthema Sicherheitsgewerbegesetz Das wichtigste bundespolitische Thema des BDSW in der aktuellen Legislaturperiode wird das Sicherheitsgewerbegesetz (SiGG) sein. Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat nach sehr langen Vorarbeiten, die bereits in die letzte Legislaturperiode zurückreichen, endlich Klarheit für unsere Branche geschafft, wie die zukünftigen Rechtsgrundlagen für unsere wirtschaftliche Betätigung aussehen sollen. Der Referentenentwurf zeigt Licht und Schatten. Der BDSW hat eine erste Stellungnahme abgegeben. Es ist auf der einen Seite gut, dass es hier nun vorwärtsgeht. Es besteht auf der anderen Seite aber auch noch – vorsichtig formuliert – einiges an Optimierungsbedarf. Im Rahmen unserer rechtspolitischen Verbandsarbeit werden wir uns gegenüber der Bundesregierung und gegenüber dem Bundestag mit Nachdruck dafür einsetzen, dass ein gegenüber dem ersten Referentenentwurf praxistauglicheres SiGG in dieser Legislatur verabschiedet wird. Das SiGG wird das Stammgesetz für das Sicherheitsgewerbe in Deutschland bilden. Insofern ist es zu begrüßen, dass es zukünftig nicht mehr als Bewachungsgewerbe tituliert wird. Dieser antiquierte Begriff entspricht bereits seit Jahrzehnten nicht mehr unserem Leistungsspektrum. Allerdings verwundert es dann, dass der Gesetzgeber zukünftig zwar auch von Sicherheitsmitarbeitern spricht, aber sich bei der Regulierung der Einsatzbereiche der Mitarbeiter – wie bisher – allein auf reine Bewachungstätigkeiten beschränkt. Wir erbringen aber als Sicherheitsgewerbe in Kombination von Mitarbeitern und Technik vielfältige integrierte Sicherheitsdienstleistungen. Grundsätzlich positiv ist, dass man entsprechend der von uns seit Jahren erhobenen Forderung nun erstmals im SiGG auch ein Regularium für die sog. Inhouse-Security schafft. Differenzierte Qualifizierungsvorgaben nötig Allerdings wurden eine Reihe von wichtigen Forderungen des BDSW bisher noch nicht aufgegriffen. Hierzu zählen u. a. die Vorstellungen des BDSW für nach Einsatzgebieten differenzierte gesetzliche Qualifizierungsvorgaben für Mitarbeiter. Der Gesetzgeber differenziert für nunmehr insgesamt drei Bewachungseinsatzkategorien bezüglich der Qualifizierung – wie bisher – allein zwischen Sachkunde und einer Schulung (vormals Unterrichtung). Beides soll weiterhin federführend durch die IHK-Kammerorganisation durchgeführt werden, was die bekannten „Warteschleifen“ nicht verkürzen dürfte. Leider wurde vom BMI auch der Einstieg in eine Harmonisierung von „Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ nicht gewagt. Sehr kritisch sehen wir die Nichtbehandlung des Schutzes von KRITIS im SiGG. Nach BDSW-­

4 DSD 4 | 2023 CO-EDITORIAL Vorstellungen sollten im SiGG verbindliche Basisqualitätsanforderungen für Sicherheitsunternehmen und deren Beschäftigte festgeschrieben werden, die im Bereich KRITIS zum Einsatz kommen. Insofern ist die Bundesregierung und danach der Bundesgesetzgeber gefordert, in diese Richtung den SiGG-Entwurf nachzubessern. Annahmepflicht für Bargeld gesetzlich verankern Ein zentrales Anliegen für den BDGW, um dessen Themen es in vorliegendem Heft vor allem gehen soll, ist es, das Bargeld weiterhin als das wichtigste Zahlungsmittel in Deutschland zu erhalten. Die Gründe liegen auf der Hand. Das Zahlungsmittel Bargeld schließt niemanden von seiner Nutzung aus, im Gegensatz zu elektronischen Zahlungsmitteln. Zu denen haben weltweit viele Bevölkerungsgruppen keinen Zugang. Bargeld garantiert die Privatsphäre seiner Nutzerinnen und Nutzer und birgt nicht die Betrugsrisiken, denen man bei der Nutzung elektronischer Zahlungsmittel ausgesetzt ist. Im Vergleich zu anderen ist es zudem das krisensicherste Zahlungsmittel, das auch bei Strom- und IT-Ausfällen oder Hackerangriffen funktioniert. Insofern wird sich die BDGW auf nationaler und europäischer Ebene dafür starkmachen, dass eine Annahmepflicht für Bargeld gesetzlich verankert wird. Auf nationaler Ebene wird sich die BDGW gegenüber dem Gesetzgeber dafür einsetzen, dass dieser zur Stärkung der Rolle der Wertdienstleister im Bargeldkreislauf Sonderrechte bei den täglichen Geld- und Wertdienstleistungen im Straßenverkehrsrecht schafft, aber speziell auch für Not- und Krisenfälle wie beispielsweise die bevorrechtigte Zuteilung von Kraftstoffen. Gegenüber Politik und auch den Banken wird sich die BDGW zudem für den Erhalt einer flächendeckenden, bundesweiten Bargeldinfrastruktur in ausreichendem und geeignetem Umfang einsetzen, um für Not- und Krisenfälle besser gerüstet zu sein. Sicherheitswirtschaft hat zentrale Gewährleistungsaufgaben Nach über zwei Jahrzehnten in Verbänden von Finanzwirtschaft und Industrie freue ich mich, nun meine Erfahrungen in den Verbänden der Sicherheitswirtschaft einbringen zu können. Als Hauptgeschäftsführer für die Mitglieder von BDSW und BDGW als Interessenvertreter, Öffentlichkeitsarbeiter und Dienstleister zu wirken, ist angesichts der wichtigen Themen des Sektors eine spannende und reizvolle neue Aufgabe für mich. Sicherheitsdienstleister gewährleisten neben den Polizeien eine immer wichtiger werdende, auch gesellschaftliche Aufgabe in der Gewährleistung der Inneren Sicherheit. Das Thema Innere Sicherheit ist aber nicht nur ein Wachstumsthema. Es ist gefühlt in den Augen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land auch etwas, das unter den Nägeln brennt. Dazu kommt, dass eine zuverlässige und sichere Bargeldversorgung eine überlebenswichtige Infrastrukturaufgabe darstellt, die die Geld- und Werttransportunternehmen in unserem Land erfüllen. Ihr Dr. Peter Schwark Bild: # 227610201 / stock.adobe.com

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GELD UND WERT 6 DSD 4 | 2023 Sicherheitswirtschaft – Bargeldversorgung als Teil von KRITIS Von Rechtsanwalt Andreas Paulick Sicherheitswirtschaft und KRITIS im Allgemeinen In der zurückliegenden Coronapandemie ist im Zuge des Shutdowns der deutschen Gesellschaft und damit auch der Wirtschaft durch die Sonderrolle von Betreibern und Dienstleistern Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) die Frage aufgetaucht, ob die Sicherheitswirtschaft im Allgemeinen unter den Begriff KRITIS fällt. Anhaltspunkte, welcher gesellschaftliche und/oder wirtschaftliche Bereich unter KRITIS fällt oder unabhängig davon zumindest Systemrelevanz hat, liefert das von der Bundesregierung vom 24. August 2016 erstellte Konzept Zivile Verteidigung (KZV), aber auch in Teilen die Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz und der BSI-Kritisverordnung (BSI-KritisV) sowie die Übersichten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zu „Kritischer Dienstleistungen und zur Systemrelevanz – Klärung und Erweiterung des KRITIS-Vokabulars Kriterien und Vorgehensweise“, Stand Januar 2021. Die Gewährleistung des Schutzes Kritischer Infrastrukturen ist eine Kernaufgabe staatlicher, aber auch unternehmerischer Sicherheitsvorsorge. Ziel aller KRITIS-Beteiligten ist es, zum bestmöglichen Schutz Kritischer Infrastrukturen beizutragen und somit die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Auf Bundesebene wurden die neun KRITISSektoren in verschiedene Branchen unterteilt. Im Zuge der Novellierung des BSI-Gesetzes im Jahr 2021 kam mit der „Siedlungsabfallentsorgung“ ein neuer Sektor hinzu, dessen ebenenübergreifende Abstimmung noch aussteht. Die Einteilung der Kritischen Infrastrukturen in die einzelnen Sektoren und Branchen, bei denen Länder und Kommunen abweichende Einteilungen verwenden können, unterliegt einem stetigen Evaluierungsprozess, der die Entwicklungen des politischen Diskurses widerspiegelt (BBK, Stand Oktober 2023). „KRITIS sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.“ (KRITIS-Definition des BMI, 2009, KRITIS-Strategie) Aus dieser Aufteilung und der Begründung der o. g. Regelwerke zu den KRITIS-Sektoren lässt sich eine generelle Zuordnung der privaten Sicherheitswirtschaft oder von Teilen nicht herleiten. Auch der im August 2023 vom Bundesinnenministerium vorgelegte Referentenentwurf eines KRITIS-Dachgesetzes bleibt die Zuordnung der privaten Sicherheitswirtschaft zu KRITIS und damit die Herstellung eines gesetzlichen Gesamtkontextes zwischen Staat und Wirtschaft beim Schutz von KRITIS schuldig, obwohl private Sicherheitsdienstleister durch ihre präventiven Dienstleistungen zur Gefahrenabwehr umfassender denn je zum KRITIS-Schutz beitragen, wie beispielsweise • im Werk- und Objektschutz von Anlagenbetreibern der KRITIS in allen oben genannten KRITIS-Sektoren, • im Rahmen von Luftsicherheitsdienstleistungen nach §§ 5, 8 und 9 LuSiG, • beim Objektschutz militärischer Einrichtungen der Bundeswehr auf der Grundlage des UZwGB • oder zur Sicherstellung der Bargeldversorgung und damit der Grunddaseinsvorsorge der Allgemeinheit mit Bargeld. Hieraus lässt sich für die private Sicherheitswirtschaft zumindest die Systemrelevanz für kritische Dienstleistungen für Sicherheitsunternehmen, für Unternehmen, die Luftsicherheitsdienstleistungen erbringen, sowie für Geld- und Wertdienstleister, die die Bargeldversorgung in Zusammenarbeit mit der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung der Deutschen Bundesbank sicherstellen, die Zughörigkeit zu KRITIS ableiten. „Systemrelevanz“ definiert dabei grundsätzlich die Bedeutung von Systembestandteilen zur Aufrechterhaltung von Systemen. „Systemrelevanz beschreibt also die Bedeutung von Institutionen zur Aufrechterhaltung von Systemen. Im Kontext KRITIS bedeutet dies, dass systemrelevante Unternehmen oder BehörGeschäftsführer der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste RA Andreas Paulick

GELD UND WERT 7 DSD 4 | 2023 den die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems Kritischer Infrastrukturen oder Teile davon aufrechterhalten und damit unmittelbar oder mittelbar zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen, teils lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen beitragen. Zu solchen Unternehmen und Behörden zählen sogenannte Kritische Infrastrukturen, aber auch Einrichtungen, ohne die eine Aufrechterhaltung Kritischer Infrastrukturen nicht möglich ist. Zu den Einrichtungen, die zur Aufrechterhaltung Kritischer Infrastrukturen beitragen, zählen Zulieferer und Dienstleister, deren Produkte bzw. Dienstleistungen eine Grundlage zur Funktionsfähigkeit Kritischer Infrastrukturen bilden.“ Wasser, Strom, Lebensmittel oder der öffentliche Nahverkehr sind für uns alltägliche Dinge, die jedoch lebensnotwendig sind. Die Versorgung mit diesen und weiteren unentbehrlichen Gütern und Dienstleistungen übernehmen in Deutschland die Kritische Infrastrukturen (KRITIS). Wie bedeutsam Kritische Infrastrukturen sind, erkennt man erst, wenn es zu Störungen wie z. B. bei Blackouts des Energieversorgungsnetzes, durch Cyberattacken infolge des Ukraine-Krieges, durch die Anschläge auf die Nord-Steam-Pipelines, der Verkehrsinfrastruktur der Deutschen Bahn oder durch Naturkatastrophen wie im Ahrtal im Juli 2021 kommt. Die Aufrechterhaltung der Kritischen Infrastrukturen bildet die Grundlage für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Im Speziellen – Bargeldversorgung als Teil von KRITIS Nach dem Konzept Zivile Verteidigung der Bundesregierung vom 24. August 2016 (KZV) ist der fortlaufende Schutz Kritischer Infrastrukturen elementare Voraussetzung für die Notfallvorsorge im Zuge der Zivilen Verteidigung. Um die Widerstandsfähigkeit des Gesamtsystems zu sichern, ist seine Resilienz in allen Teilkomponenten unabdingbar. Die Bargeldversorgung der Allgemeinheit, z. B. über Geldausgabeautomaten und der Volkswirtschaft, z. B. der Banken und des Handels, durch Geld- und Wertdienstleister ist grundsätzlich eine öffentliche Grundversorgungsdienstleistung. Der Bund verfolgt nach dem aus Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz resultierenden Sozialstaatsprinzip die Umsetzung dieser Verpflichtung zur Daseinsvorsorge auf sog. minimalem Niveau als strategisches Schutzziel. Dies bezieht sich ausweislich Ziffer 7.1 des KZV ausdrücklich auf die Bargeldversorgung! Nach § 7 Abs. 1 Ziffer 1. der BSI-Kritisverordnung ist die Bargeldversorgung wegen ihrer besonderen Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Finanz- und Versicherungswesen eine kritische Dienstleistung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 des BSI-Gesetzes. Dabei wird die Bargeldversorgung im Bereich der Bargeldlogistik erbracht, § 7 Abs. 2 BSI-­ Kritisverordnung. Im Sektor Finanz- und Versicherungswesen sind die Cash-Center und damit verbundene Bargeldtransporte der privaten Geld- und Wertdienstleister den Anlagen der Kritischen Infrastruktur zuzuordnen, weil sie für die Bargeldversorgung, insbesondere beim Erreichen bestimmter Schwellenwerte, für die Versorgung der Bevölkerung erforderlich sind. Besondere Bedeutung für die Bargeldversorgung der Allgemeinheit haben dabei große Cash-Center der Geld- und Wertdienstleister, die als sog. Anlagenkategorie gemäß Anhang 6 Teil 1 Ziffer 1 lit. h) in Verbindung mit § 7 Abs. 7 BSI-Kritisverordnung unter der Annahme einer regionalen Versorgung von 500.000 Personen mindestens 93,5 Millionen Banknoten pro Jahr – das entspricht einer Versorgung mit 187 Banknoten für eine Person pro Jahr – die Bargeldversorgung eines jeden Bevölkerungsteils in dieser Größenordnung in den

GELD UND WERT 8 DSD 4 | 2023 jeweiligen Regionen in Deutschland sicherstellen. Die Deutsche Bundesbank hat nach §§ 3, 14 Bundesbankgesetz (BBankG) grundsätzlich für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs in Deutschland und somit auch für die Bargeldversorgung Sorge zu tragen. Diese Aufgabe kann und will die Deutsche Bundesbank nicht allein wahrnehmen, sodass sie für die Verteilung des von ihr ausgegebenen Bargeldes für die Allgemeinheit und die Volkswirtschaft auf Transport- und Logistikkapazitäten der eingesetzten privaten Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen zurückgreift. Durch diese Tätigkeiten der Geld- und Wertdienstleister wird somit unmittelbar die Deutsche Bundesbank bei ihrer hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung der Sicherstellung der Bargeldversorgung im Inland gemäß §§ 3, 14 BBankG unterstützt. Denn ausschließlich die Geld- und Wertdienstleister verteilen das von der Deutschen Bundesbank ausgegebene Bargeld in der Fläche, vor allem im Zuge der Bestückung der Geldausgabeautomaten. Somit ist eine funktionierende Logistikinfrastruktur der Geld- und Wertdienstleister für eine sichere und geordnete Bargeldversorgung essenziell und zwingend erforderlich, wie das KZV unter Punkt 7.7 verdeutlicht. Die ausgegebene Menge an Bargeld steigt seit Jahren kontinuierlich an: In den letzten zehn Jahren wuchs der Banknotenumlauf durchschnittlich um etwa sechs Prozent pro Jahr. Mit einem Wert von über 1,5 Billionen Euro zum Jahresende 2022 hat sich der Bargeldumlauf seit Erstausgabe des Eurobargelds im Jahr 2002 mehr als versiebenfacht. Über die Hälfte aller Banknoten im Umlauf der Eurobargeldländer stammt aus den Tresoren der deutschen Zentralbank. Hinzu kommen die europaweit bis Jahresende 2022 ausgegebenen netto fast 145 Milliarden Euromünzen im Gesamtwert von über 32 Milliarden Euro. Im Jahr 2022 transportierten und bearbeiteten die Geld- und Wertdienstleister rund 30 Milliarden Banknoten im Wert von rund 1 Billion Euro. Mit über 25 Millionen Transportvorgängen handelt es sich um Tätigkeiten der Geld- und Wertdienstleister, die unverzichtbar für eine reibungslose und sichere Bargeldversorgung für die gesamte Bundesrepublik sind. Diese täglich sichere und vertrauensvolle Bargeldlogistik versorgt die Banken und Bevölkerung über Geldausgabeautomaten und die Volkswirtschaft, durch Bargeldabholungen im Handel und deren professionellen Bearbeitung mit Bargeld. Die Funktionsfähigkeit der Bargeldlogistik durch Geld- und Wertdienstleister verhindert Bargeldengpässe in Deutschland und in Europa. In den Cash-Centern leisten ca. 3.000 Beschäftigte ihren Dienst, sortieren und zählen Banknoten und Münzen und prüfen diese auf Echtheit und Umlauffähigkeit. Mit ca. 28 Prozent haben die Geld- und Wertdienstleister durch den Einsatz der durch die Deutsche Bundesbank zertifizierten Geldbearbeitungsmaschinen die höchste Anhaltequote beim Falschgeld aller Bargeldakteure. Welche Auswirkungen Bargeldversorgungsengpässe auf Teile der Bevölkerung mit unmittelbarer Folge für Banken und den Handel haben können, belegen Beispiele aus der ersten Finanzkrise im Herbst 2008, der nachgefolgten im Eurowährungsraum, beispielsweise in Griechenland, oder der mehrwöchige bundesweite Ausfall von Zahlungskartenterminals im Jahre 2022 bzw. der flächendeckende Debitkartenausfall im Sommer 2023 in Deutschland. In Übereinstimmung mit den Positionen der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste BDGW misst die Bundesregierung der generellen Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Bargeld große Bedeutung bei und bekennt sich ausdrücklich zum Fortbestand des Bargeldes als gesetzliches Zahlungsmittel im Juni 2023 als Antwort auf eine Große Anfrage einer Fraktion im Deutschen Bundestag. Dieses Bekenntnis der Bundesregierung zum Bargeld bedarf aber weitergehender Anstrengungen und Maßnahmen, insbesondere konkreter Regelungen für den Erhalt einer flächendeckenden bundesweiten ausreichenden und geeigneten Bargeldinfrastruktur, einschließlich der dauerhaften Verfügbarkeit von Wechselgeld im und für den Einzelhandel. Die Leistungsfähigkeit und Bedeutung der Wertdienstleister für die Resilienz der Bargeldversorgung in Deutschland hat das Forschungsprojekt BASIC herausgestellt. Es wurde im Zuge der Bekanntmachung „Zivile Sicherheit – Sozioökonomische und soziokulturelle Infrastrukturen“ des BMBF im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ der Bundesregierung (www.sifo.de) u. a. unter Beteiligung der Deutschen Bundesbank und der BDGW durchgeführt. Nach mehrjähriger Projektarbeit von Januar 2020 bis Anfang 2023 fand im Februar 2023 die Abschlussveranstaltung des Forschungsprojekts„Resilienz der Bargeldversorgung – Sicherheitskonzepte für Not- und Krisenfälle“ statt. Es wurde herausgestellt, welche große Bedeutung das Zahlungsmittel Bargeld allgemein für die Gesellschaft und insbesondere

GELD UND WERT 9 DSD 4 | 2023 in Not- und Krisenfällen hat, in denen unbare Zahlungsmittel ausfallen. Zur Stärkung der Rolle der Wertdienstleister im Bargeldkreislauf fordert die BDGW schon seit Jahren vom Gesetzgeber zum Beispiel die Berücksichtigung im Sonderrechtetatbestand des § 35 StVO bei den täglichen Geld- und Wertdienstleistungen im Straßenverkehrsrecht für das Befahren von Fußgängerzonen und zum kurzfristigen Halten und Parken in 2. Reihe an Objekten der Bargeldzustellungen und -abholungen, aber speziell auch für Not- und Krisenfälle wie beispielsweise die bevorrechtigte Zuteilung von Kraftstoffen oder eine Telekommunikationsbevorrechtigung. So ist das Befahren von Fußgängerzonen seit Längerem für die durch die Kommunen mittlerweile privatwirtschaftlich betriebenen Reinigungs- und Entsorgungsfahrzeuge gem. § 35 Abs. 6 StVO ebenso zugelassen, wie für Messfahrzeuge der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gem. 35 Abs. 7 und jüngst durch eine Ergänzung der Sonderrechteregelung für privatwirtschaftlich eingesetzte Fahrzeuge von Unternehmen, die Universaldienstleistungen nach § 11 des Postgesetzes gemäß § 35 Abs. 7a StVO erbringen. Seit vielen Jahren beobachtet die BDGW, dass sich das Zahlungsverhalten in Deutschland zugunsten unbarer Zahlungen entwickelt. Die Coronakrise hatte hier mit Blick auf Deutschland eine Katalysatorwirkung. Obwohl sich im Anschluss an die Krise das Online- und bargeldlose Zahlungsverhalten ein wenig reduziert hat, verweilt es auf höherem Vorkrisenniveau. Hierbei handelt es sich um keine rein deutsche Entwicklung. In Europa stehen Regionen wie Skandinavien oder das Baltikum sinnbildlich für nahezu bargeldlose Gesellschaftsformen. Bargeldzahlungen scheinen einem Anachronismus gleichzukommen. Während die deutsche Bundesregierung im Juni dieses Jahres auf eine Große Anfrage zum digitalen Euro deutlich macht, „Bargeld ist und bleibt die zentrale Geldform unserer freiheitlichen Gesellschaft“, verändert sich das Zahlungsverhalten am Point of Sale und schwindet die Annahmebereitschaft von Bargeld durch den Einzelhandel; allen voran ein autorisierter Händler eines US-amerikanischen Tech-Giganten. Losgelöst von der rechtlichen Bewertung und Verankerung des Bargeldes als einziges unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel, sichert Bargeld eine barrierefreie, soziale und anonyme gesellschaftliche Teilhabe. Die Versorgung mit Bargeld ist KRITIS-relevant. Bargeld ist integrativ, inklusiv und ein sicheres Wertaufbewahrungsmittel. Die Vielschichtigkeit von Bargeld und seine Bedeutung für die Selbstbestimmung von Menschen zeigt sich insbesondere in Krisenzeiten. In diesen steigt die Nachfrage an Bargeld durch die Bevölkerung signifikant, wie die Finanz- und Wirtschaftskrise der Nullerjahre, aber auch der Krieg in der Ukraine zeigen. Doch wie kommt der Souverän an sein oder ihr Bargeld, wenn zeitgleich die Geschäftsbanken ihr Filialnetz dramatisch ausdünnen und die großen Einzelhändler mehr in hauseigene Bezahl-Apps investieren als in den Gedankengang, ein Redundanznetz in der Kritischen Infrastruktur Bargeldlogistik zu sein, wie es das Konzept Zivile Verteidigung deutlich anmahnt und herausstellt? Eine freiheitliche demokratische Gesellschaft will und braucht das Bargeld jetzt und in Zukunft. Die BDGW steht dafür, ihre Stimme gegen jegliche Einschränkung der Nutzung und Verfügbarkeit von Bargeld zu erheben. Das macht sie nicht nur national, sondern auch auf europäischer Ebene in Zusammenarbeit mit ihrem Europäischen Dachverband der Wertdienstleistungsbranche, der European Security Transport Association (ESTA). Die gesetzliche Annahmepflicht des Eurobargeldes (und des geplanten digitalen Euro) ist ein wichtiger erster richtiger Schritt der Europäischen Kommission, den sie mit der Vorlage eines entsprechenden Richtlinienentwurfs am 28. Juni 2023 auf den Weg gebracht hat. Das Bargeld und die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld im Rahmen der KRITISDaseinsvorsorge müssen der monetäre Anker des europäischen Finanzsystems bleiben; hierbei ist jedoch begleitend die Wechselgeldverfügbarkeit im Einzelhandel zwingend sicherzustellen, um sich einer gesetzlich geregelten Annahmepflicht, die die Europäische Kommission seit ihren EU-Richtlinienentwürfen vom 28. Juni 2023 verfolgt, nicht entziehen zu können. Bild: SESAMI

GELD UND WERT 10 DSD 4 | 2023 Aktuelle bargeldrelevante Initiativen und Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene Von Andreas Goralczyk Die BDGW gemeinsam mit der europäischen Branchenvertretung der Geld- und Wertdienstleister ESTA1 beobachtet und begleitet europäische Bargeldthemen. Sie nimmt aktiv teil an Konsultationsprozessen zu bargeldrelevanten Gesetzesvorhaben und kommentiert die Initiativen des europäischen Gesetzgebers, der Europäischen Kommission oder der Europäischen Zentralbank sowie deren beratenden Arbeitsgruppen. 1 ESTA – The European Cash Management Companies Association (https://www.esta-cash.eu) 2 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_3501 3 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_3501 Am 28. Juni dieses Jahres hat die Europäische Kommission drei Vorschläge für Gesetzgebungspakete vorgestellt, die sich derzeit auf nationaler Ebene in der Phase der Bewertung befinden: 1. Legislativvorschlag für eine Verordnung über das Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel 2. Legislativvorschlag für die Schaffung eines Rechtsrahmens zur Etablierung eines möglichen digitalen Euro 3. Legislativvorschlag für eine Reform der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (Payment Services and Electronic Money Services Directive, PSD3) In dieser Ausgabe DSD – Der Sicherheitsdienst möchten wir über einige Aspekte dieser neuen Gesetzgebungsvorschläge berichten. Legislativvorschlag für eine Verordnung der Europäischen Kommission zum Euro-Bargeld als Legal Tender Ein starkes Zeichen für die Zukunft des EuroBargelds Mit dem Gesetzgebungsvorschlag zur Funktion des Euro-Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel, dem Legal Tender des Euro-Bargelds, soll gewährleistet werden, dass das Euro-Bargeld auch weiterhin als gesetzliches Zahlungsmittel flächendeckend akzeptiert wird und dass der Zugang zum Euro-Bargeld für Bürger und Unternehmen flächendeckend und problemlos möglich ist. Der Euro ist und bleibt auch weiterhin das „Symbol für Europas Einheit und Stärke“2 in Form von Euro-Bargeld und zukünftig auch in Form eines digitalen Euro. „Euro Cash is legal ‚tender‘ in the euro area.“ Mit dem Vorschlag für eine Verordnung zum Legal Tender des Euro will die Kommission genau dieses bestätigen: „This proposal aims to set out in legislation what that actually means, with a focus on two ‚A‘s: acceptance and access.“ (Pressestatement der Europäischen Kommission am 28. Juni 20233) Die Annahme von Euro-Bargeld als Zahlungsmittel und der Zugang zum Euro-Bargeld sind nicht mehr so selbstverständlich, wie es die Funktion des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel erwarten lässt. Mit dem Verordnungsvorschlag reagiert die Kommission auf die Empfehlungen der Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission ELTEG („Euro Legal Tender Expert Group“) zum Legal Tender sowie auf die zunehmenden Bedenken in den Mitgliedstaaten der Eurozone, dass die Akzeptanz und der Zugang zum Euro-Bargeld nicht mehr überall uneingeschränkt möglich sind. Die Kommission erwähnt insbesondere den Rückzug der Banken aus der Fläche, die Schließungen von Bankfilialen und Geldautomaten. Die Verordnung soll die flächendeckende Annahmepflicht von Euro-Bargeld in der Eurozone sicherstellen und gewährleisten, dass der Zugang zum Euro-Bargeld auch weiterhin flächendeckend möglich ist. Die Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten, genau dies zu gewährleisten. Auch bei zunehmender Verfügbarkeit von Karten und anderen digitalen Zahlungsmitteln muss der Bürger die Wahlfreiheit beim Bezahlen behalten. Die Auswirkungen einer dramatischen Reduzierung der BargeldnutSenior Research Fellow der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste Andreas Goralczyk

Anzeige GELD UND WERT 11 DSD 4 | 2023 zung durch Einschränkungen des Bargeldzugangs sind insbesondere in den skandinavischen Ländern zu beobachten. So ist z. B. in Schweden der „point of no return“ bereits erreicht, an dem eine Rückkehr zur uneingeschränkten Bargeldnutzung nur noch schwer vorstellbar ist. Die ESTA hat den Verordnungsvorschlag zum Legal Tender des Euro-Bargelds begrüßt. In ihrer detaillierten Kommentierung des Verordnungsvorschlags sieht sie die Bestätigung durch die Europäische Kommission, dass der Legal-Tender-Status des Euro-Bargelds die Garantie für den Fortbestand des Euro-Bargelds ist. Nur das Euro-Bargeld als Zentralbankgeld ist Legal Tender und in dieser Funktion unterscheidet sich das Euro-Bargeld von jedem anderen Zahlungsmittel. Als einziges Zentralbankgeld hat das Euro-Bargeld eine absolute Vorreiterrolle gegenüber jedem anderen Zahlungsmittel. Der Artikel 128 (1) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (TFEU) legt den Legal-Tender-Status der Euro-Banknoten fest und Artikel 11 der Verordnung EC/974/98 legt diesen Status für die Euro-Münzen fest. Gemäß der Empfehlung der Europäischen Kommission (2010/191/EZ) über Umfang und Auswirkungen des Legal Tender der Euro-Banknoten und -Münzen bedeutet der Legal-Tender-Status des Euro-Bargelds im Prinzip die Annahmepflicht des Euro-Bargelds zur schuldbefreienden Begleichung einer Zahlungsverpflichtung. In dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Januar 2021 wird dies aus aktuellem Anlass4 erneut bestätigt. Das Euro-Bargeld als Legal Tender muss überall in der Eurozone als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Flächendeckende Akzeptanz des Euro-Bargelds ist ein integraler Part des Legal Tender. Ohne Zugang zum Bargeld ist ein funktionierender Zahlungsverkehr nicht denkbar. Die Kommission trägt mit ihrem Verordnungsvorschlag dieser Grundvoraussetzung Rechnung. Ein Aspekt, der allerdings nicht ausreichend in dem Verordnungsvorschlag berücksichtigt wurde, betrifft die Verfügbarkeit von ausreichenden Wechselgeldbeständen für den Handel. Dies betrifft insbesondere die Münzen. Der Handel und die Zahlungen in Bargeld können nicht funktionieren, wenn der Zugang zu Münzen nicht mehr funktioniert. Dies war insbesondere in Schweden der Fall, wo sich die Banken Schritt für Schritt aus dem Münzgeschäft zurückgezogen haben. Die ESTA hat diese Entwicklung als das bezeichnet, was es ist: eine Taktik im Krieg gegen das Bargeld, um das Bargeld zu verdrängen. Mit anderen Worten: Der uneingeschränkte Zugang zum Euro-Bargeld, den die Verordnung fordert, muss sowohl die Verfügbarkeit von Euro-Banknoten als auch die flächendeckende Verfügbarkeit von Euro-Münzen umfassen. Begrüßenswert ist auch die Festlegung, in welchem Fall von der verpflichtenden Annahme von Euro-Bargeld durch den Einzelhandel und anderen Zahlungsempfängern, wie z. B. Behörden, abgewichen werden kann. Zahlungspflichtiger und Zahlungsempfänger müssen sich beide auf eine alternative Zahlungsart verständigen (mutual agreement). Ein einseitiger Ausschluss (ex ante) von Barzahlungen („Hier keine Barzahlungen“) ist gemäß dem neuen Verordnungsvorschlag nicht mehr möglich. Dies trägt 4 Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Januar 2021 zur Klage von Norbert Häring, auch die Rundfunkgebühren mit Euro-Bargeld bezahlen zu können. 5 https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13392- A-digital-euro-for-the-EU/addFeedback_en?p_id=32223685 der Forderung der ESTA Rechnung, dass nicht der einzelne Einzelhändler oder eine Behörde entscheiden dürfen, wie der Kunde zu zahlen hat. Euro-Bargeld ist und bleibt„Legal Tender“, gesetzliches Zahlungsmittel. Damit ist die Annahmepflicht unzweideutig gegeben. Die Wahlfreiheit beim Bezahlvorgang des Kunden, allgemeiner: des Zahlungspflichtigen, darf nicht eingeschränkt werden. Es bleibt abzuwarten, wie nach der Verabschiedung dieser Verordnung auch auf nationaler Ebene durch die vorgesehenen Sanktionen bei Einschränkungen der Bargeldnutzung und des Bargeldbezugs dieser Vorgabe zum Recht verholfen wird. Legislativvorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Schaffung eines Rechtsrahmens zur Einführung eines möglichen digitalen Euro Zeitgleich mit dem Vorschlag für eine Verordnung zum Legal Tender des Euro-Bargelds hat die Kommission den Vorschlag einer Verordnung für einen Rechtsrahmen für die Einführung eines digitalen Euro veröffentlicht.5 BDGW und ESTA begrüßen diesen Verordnungsvorschlag grundsätzlich, wie den Vorschlag für eine Verordnung zum LegalTender-Status des Euro-Bargelds, insbesondere weil die E-EuroVerordnung auch zur erneuten Bestätigung des Legal-Tender-­ Status des Zentralbankgeldes Euro-Bargeld führen wird. Aber beileibe nicht wegen seines grundsätzlichen Inhalts, die Schaffung

GELD UND WERT 12 DSD 4 | 2023 eines digitalen Euro, ist dieser Verordnungsvorschlag zu begrüßen, sondern wegen seiner Aussagen zum Stand des bisher einzigen gesetzlichen Zahlungsmittels, des Euro-Bargelds, sowie zur Zukunft des EuroBargelds. Die ESTA hat auch diesen Verordnungsentwurf umfassend und kritisch bewertet. Die wesentlichen Aspekte der ESTA-Stellungnahme sollen hier erwähnt werden. Es stellt sich die grundsätzlich die Frage, ob der Markt die Schaffung eines neuen elektronischen Zahlungsverfahrens, ebenfalls mit der Ausstattung als Legal Tender und als Zentralbankgeld, erforderlich macht oder ob ein digitaler Euro nicht eher als die„Lösung nach der Suche nach einem Problem“ (siehe weiter unten) betrachtet werden muss. Nicht wegen des Ziels, welches mit der Einführung des digitalen Euro verfolgt wird, sondern wegen der Gründe, die die Einführung einer digitalen Währung, eines digitalen Euro, erforderlich erscheinen lassen, begrüßt die ESTA den Vorschlag der Kommission zur Einführung eines digitalen Euro: Dieser Verordnungsvorschlag und das Vorhaben insgesamt, eine digitale Währung als Zentralbankgeld neben dem Euro-Bargeld zu etablieren, dokumentieren die zunehmende „Schwächung des monetären Ankers“6 der europäischen Geldpolitik. Ursache dessen ist die kontinuierliche Reduzierung des Bargeldumlaufs sowie des Bargeldvolumens für Transaktionszwecke. Dies wiederum resultiert aus den Auswirkungen eines jahrzehntelangen Krieges gegen das Bargeld. Die ESTA betont auch an dieser Stelle, dass der Rückgang des Bargeldvolumens und der Bargeldnutzung für Transaktionszwecke sich nicht zufällig ergeben haben. Ganz im Gegenteil: Der Rückgang der Bargeldnutzung ist ein bewusst gesteuerter Prozess. Und die Coronapandemie wurde dazu genutzt, das „Sterben“ des Bargelds zu beschleunigen. Plötzlich war Bargeld nicht mehr nur ein„antiquiertes“, in„die Jahre gekommenes“ Zahlungsinstrument, so die Einschätzung einer von der EZB eingesetzten Arbeitsgruppe, sondern die Nutzung von Bargeld ist nun auch noch ein Gesundheitsrisiko. Die Diskriminierung des Bar6 https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:6f2f669f-1686-11ee-806b-01aa75ed71a1.0023.02/DOC_1&format=PDF, cf. Absatz 3 7 https://www.betterthancash.org 8 F. Panetta, ECB,„Cash in Time of Turmoil“, 15. Juni 2021. gelds wurde bewusst getrieben von den Akteuren, die ein Interesse am Verschwinden des Bargelds und ganz generell an der weiteren Digitalisierung des Zahlungsverkehrs und des gesellschaftlichen Lebens haben, allen voran von den Banken, den internationalen Kartenorganisationen und internationalen Organisationen, deren Vision die bargeldlose Gesellschaft ist, wie z. B. die „Better than Cash Alliance“7. Im Nachgang der Coronapandemie war es dann nicht überraschend, dass Fabio Panetta von der Europäischen Zentralbank zu dem Ergebnis kam, dass die Coronapandemie in ihren Auswirkungen wie sieben Jahre auf dem Weg zur Digitalisierung des Zahlungsverkehrs gewirkt hat8. Die Banken haben ihren Beitrag zur Reduzierung der Bargeldnutzung ebenfalls geleistet. Der Rückzug der Banken aus dem Bargeldgeschäft, die Ausdünnung des Geldautomatennetzes, die Schließung von Filialen, der Rückzug aus der Fläche, Einstellung der Münzgeldversorgung, die Erhöhung der Preise für Bargelddienstleistungen etc. All dies hat dazu geführt, dass sich die Bargeldversorgung, sowohl für den Verbraucher als auch für Unternehmen, immer schwieriger und auch kostenintensiver gestaltet mit der Folge eines dramatisch reduzierten Bargeldumlaufs. Und dies ist die Grundlage des „weakened monetary anchor“ der europäischen Geldpolitik, den der Verordnungsvorschlag adressieren möchte. Aber anstatt sich auf eine nachhaltige und resiliente Stärkung des Euro-Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel einzulassen und die Bargeldnutzung zu stärken, wird versucht, das Rad neu zu erfinden und eine neue Form von Bargeld zu schaffen. Aber nur das Bargeld in Form von Banknoten und Münzen ist letztendlich der Garant für das Vertrauen der Bürger in die Finanzmarktstabilität und in das Bankensystem, das für die Bürger und Unternehmen ihre Guthaben verwahrt. Elektronisches, insbesondere kommerzielles Geld demgegenüber basiert einzig und allein auf dem Vertrauen, dass dieses auch bei Bedarf in Bargeld getauscht werden kann. Die Schwierigkeiten bei der Etablierung eines digitalen Euro sind nicht zu unterschätzen. Die Risiken, auch die damit verbundenen Belastungen, sind beträchtlich. Um einen berühmten britischen Premierminister zu zitieren: „Man braucht nicht nach Problemen zu suchen, die Schwierigkeiten ergeben sich von selbst.“ Und diese Schwierigkeiten sind zweierlei Art: diejenigen, die überwunden werden müssen, um den digitalen Euro zu etablieren, und diejenigen, die überwunden werden müssen, sobald die digitale Währung etabliert ist. Die letztgenannten Schwierigkeiten sind verhältnismäßig kritischer als die ersteren, da sie die gesamte Stabilität der Währungs- und Finanzweltsystems gefährden könnten. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist es daher fraglich, ob der digitale Euro, der zunächst in seiner Verfügbarkeit für den einzelnen Nutzer eine Obergrenze von 3.000 Euro vorsieht, die effizienteste Lösung ist, um dem starken Rückgang des Bargelds entgegenzuwirken („the weakened monetary anchor“), anstatt in eine starke Verteidigung des Bargeldes zu investieren. Der ebenfalls am 28. Juni 2023 vorgelegte und weiter oben besprochene Entwurf eines Vorschlags zum gesetzlichen Zahlungs-

GELD UND WERT 13 DSD 4 | 2023 mittel des Euro-Bargelds und zum Zugang zu Bargeld („Regulation of the European Parlament and Council on the legal tender of euro banknotes and coins“9) ist demgegenüber eine sehr angemessene und begrüßenswerte Reaktion der Politik zur Stärkung des Euro-Bargelds, die weiter gefördert werden muss durch entsprechende, begleitende nationale Durchführungsgesetze. Ob die in diesem Verordnungsvorschlag vorgeschlagenen und von den Mitgliedsstaaten eventuell zu verhängenden Sanktionen, um dem Bargeld zu seinem Recht zu verhelfen, angemessen und abschreckend genug sind, um Beschränkungen der Nutzung des Euro-Bargelds zu verhindern, wird von entscheidender Bedeutung sein, um sicherzustellen, dass der „Währungsanker“ (der „monetary anchor“) des Zentralbankgeldes (des Euro-Bargelds) gewährleistet, dass das Bargeld nicht weiter geschwächt, sondern gestärkt wird. Und dies ist ja das erklärte Ziel des EU-Vorschlags zum E-Euro. Die Unsicherheiten bei der Etablierung von Central Bank Digital Currencies (CBDC) sind so groß, dass beispielsweise die schwedische Zentralbank ankündigte, die 9 https://economy-finance.ec.europa.eu/system/files/2023-06/COM_2023_364_1_EN_ACT_part1_v6.pdf 10 https://www.riksbank.se/en-gb/zahlungen--cash/e-krona/ 11 Vgl. „Überlegungen zu einer digitalen Währung der Zentralbank“; Bemerkungen von Michelle W. Bowman, Vorstandsmitglied von Gouverneuren des Federal Reserve Systems an der McDonough School of Business der Georgetown University, Psaros Center für Finanzmärkte und Politik, Washington, DC, 18. April 2023 Arbeit an der E-Krone zunächst einzustellen, da sie keinen „ausreichenden gesellschaftlichen Bedarf“ für eine digitale Währung sehe, während sie sich weiterhin lediglich mit den technischen Details der E-Krone befasst.10 Ähnlich verhält es sich in den USA. Die Federal Reserve Bank (FED) beschäftigt sich derzeit mit zwei grundsätzlichen Fragen, bevor sie die Arbeit an einem E-Dollar fortzusetzen gedenkt: „What is the issue to be solved with it?“ und „What current friction exist or may emerge in the payment system that only a CBDC can solve or that a CBDC can solve most efficiently?“11 Diese Fragen sind für den vorgeschlagenen digitalen Euro ebenfalls von großer Bedeutung, und deshalb hat die ESTA damit begonnen, sie in ihrem Positionspapier zu verdeutlichen. Auch der Ausschuss des Wirtschaftsministeriums des britischen Oberhauses kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen: „Wir haben die Aussagen verschiedener Sachverständiger eingeholt und keiner von ihnen war in der Lage, uns eine überzeugende Aussage und einen Grund zu liefern, warum das Vereinigte Königreich eine digitale Zentralbankwährung bräuchte. Das Konzept birgt ein zu hohes Risiko für einen sehr geringen Ertrag. Wir kamen zu dem Schluss, dass die Idee eine Lösung auf der Suche nach einem Problem war.“ Da seitens der Vertreter einer bargeldlosen Gesellschaft weiter an der Verdrängung des Bargelds gearbeitet wird, setzen diese auf die Hoffnung, dass mit der Schaffung des digitalen Euro dieser letztendlich dem Bargeld den Todesstoß versetzen wird. Daher setzt die ESTA demgegenüber auf eine nachhaltige, robuste Stärkung des Euro-Bargelds. Der seit Jahren zu beobachtende Rückgang der Bargeldnutzung muss gestoppt werden, damit das Bargeldvolumen und insbesondere die für Transaktionszwecke genutzte Bargeldmenge nicht die kritische Masse erreichen. Denn dies würde die Bargeldversorgung weiter dramatisch erschweren und letztendlich wird sich das Bargeldmanagement infolge des geringeren Bargeldvolumens dann nicht mehr wirtschaftlich gestalten lassen. Daher sieht ESTA die folgenden Notwendigkeiten: • Die Bargeldbestände sollten so schnell wie möglich in allen Staaten der Eurozone wieder hochgefahren werden. Ein nachhaltiger, resilienter Bargeldschutz ist zu etablieren. Der digitale Euro wird ohne Bargeld nicht funktionieren können. • Zahlungsverkehrsrelevante Wettbewerbsentwicklungen sind kritisch zu beobachten. Bedroht der harte Wettbewerb von Anbietern privater/kommerzieller Zahlungsverfahren das Bargeld? Ist der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Zahlungsmitteln fair (Stichwort: „Level Playing Field“) oder führt der Wettbewerb zu unfairen Wettbewerbsbedingungen? Der Verordnungsvorschlag der Kommission für den digitalen Euro schützt seinerseits den digitalen Euro vor unfairen Wettbewerbsbedingungen. Ist das Euro-Bargeld in gleichem Maße geschützt? • Durch delegierte Rechtsakte/Durchführungsrechtsakte ist ein Mindestschwellenwert für kommerzielle elektronische ZahBild: Guillaume Périgois/unsplash.com

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