DER SICHERHEITSDIENST

Veranstaltungswirtschaft in und nach der Pandemie „Event Security gehört zu den spannendsten Tätigkeiten der Branche“ UEFA EURO 2024 in Deutschland DSDDER SICHERHEITSDIENST 1 | 2022 Fachmagazin für die Sicherheitswirtschaft 74. Jahrgang Postvertriebsstück – DPAG – Entgelt bezahlt | DSA GmbH · Postfach 1201 · 61282 Bad Homburg

12. Luftsicherheitstage des BDLS Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen und des Bundespolizeipräsidiums Wir freuen uns, wenn Sie sich diesen Termin schon jetzt vormerken! Ergreifen Sie die Chance, sich über topaktuelle Themen der Luftsicherheitsbranche zu informieren und nutzen Sie die Gelegenheit, sich mit Experten aus dem Bereich Luftsicherheit zu vernetzen. Bei Interesse, Rückfragen und für weitere Infos steht Ihnen die Veranstaltungsassistentin Manuela Blum unter Tel. +49 6172 948065 oder E-Mail blum@bdls.aero zur Verfügung. 5. bis 6. Oktober 2022 SAVE THE DATE

1 DSD 1 | 2022 EDITORIAL ist bis zum 31. März 2022 Hauptgeschäftsführer des BDSW Bundesverband der Sicherheitswirtschaft und der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste. Dr. Harald Olschok Ich bin dann mal weg ... Am 31. März werde ich als Hauptgeschäftsführer des BDSW und der BDGW nach fast 30-jähriger Tätigkeit in den Ruhestand gehen. Es war eine spannende, aber auch sehr herausfordernde Zeit. Die Highlights im Überblick. Wirtschaftliche Entwicklung: Der Umsatz der Branche wird in diesem Jahr rund 10 (1992: 1,6) Mrd. Euro betragen, 260.000 Beschäftigte arbeiten in 111 Tätigkeiten. Die Branche profitiert von der Fremdvergabe von Sicherheitsdienstleistungen. Viele Aufgaben sind neu hinzugekommen, u. a. Passagier- und Gepäckkontrollen, Werkfeuerwehren, bewaffneter Schutz vor Piraten auf Handelsschiffen, Schutz von Flüchtlingsunterkünften und seit zwei Jahren Kontrollen auf Einhaltung der Coronaregeln und Schutz der Impfzentren. Qualitätsoffensive: Auf die Diskussion Mitte der 90er-Jahre über die „schwarzen Sheriffs“ haben wir mit einer beispiellosen Qualitätsoffensive reagiert. An zwei neuen Ausbildungsberufen und an der GSSK haben wir mitgearbeitet, Studiengänge für das Sicherheitsmanagement und Normen wie die DIN 77200 wurden eingeführt. Rechtliche Rahmenbedingungen: Das Unterrichtungsverfahren wurde 1996 in das Gewerberecht eingeführt, 2002 folgte die Sachkundeprüfung. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung wurde mehrfach verschärft. Vor drei Jahren wurde das Bewacherregister eingeführt. Der Zuständigkeitswechsel am 1. Juli 2020 auf das BMI war ein Meilenstein in der 120-jährigen Geschichte. Das vom BDSW geforderte Sicherheitsdienstleistungsgesetz wird in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Wertdienstleister: Sie haben 2002 an der reibungslosen Einführung des Euros mitgearbeitet. Die Sicherheitsvorschriften der BDGW wurden mehrfach überarbeitet, sie ersetzen eine gesetzliche Regelung. Corona hat das Zahlungsverhalten stark verändert. Der Anteil von Bargeld als Zahlungsmittel ist von rund 50 auf unter 40 Prozent gesunken. Die BDGW-Mitglieder stehen vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Wissenschaft: Eine wissenschaftliche Begleitung unserer Branche ist wichtig. Die Gründung von FORSI im Jahr 1999 durch Prof. Dr. Stober und von FORSI 2.0 im letzten Jahr durch Prof. Dr. Eisenmenger in Hamburg ist von großer Bedeutung. Wir beteiligen uns aktiv an der Sicherheitsforschung der Bundesregierung. Das Projekt OSIMA, Ordnung des Sicherheitsmarktes, war der Einstieg. Seit zwei Jahren beteiligen wir uns an BASIC, Resilienz der Bargeldversorgung in Deutschland. Tarifpolitik: Kern der Verbandsarbeit ist die Tarifpolitik in den 15 Landesgruppen. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 12 Euro zum 1. Oktober 2022 stellt eine besondere Herausforderung dar. Nicht wegen der Höhe, aber wegen der übereilten Einführung und des Eingriffs in unsere bis Ende Dezember 2022 laufenden Tarifverträge. Binnen eines Jahres müssen zwei Preiserhöhungen bei den Kunden durchgesetzt werden. Vernetzung: Der Aufbau stabiler Beziehungen zu anderen Verbänden war ein weiterer Schwerpunkt der Verbandsarbeit. Auf europäischer Ebene sind es die CoESS und die ESTA. In Deutschland die Mitgliedschaft in der BDA und ihrer Landesvereinigungen. Mit dem BDWi teilen wir uns die Räumlichkeiten in Berlin. Verbandsarbeit: Eine erfolgreiche Verbandsarbeit ist nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit von Ehren- und Hauptamt möglich. Gemeinsam mit den Präsidien bzw. Vorständen haben wir mit den Kolleginnen und Kollegen in Bad Homburg und Berlin eine schlagkräftige Interessenvertretung aufgebaut und die Verbandsarbeit effizient gestaltet. DSD: Alle relevanten Themen der Branche werden umfassend von kompetenten Autoren behandelt. Mein besonderer Dank geht an SandraCharlotte von Opel und Tanja Staubach. Als Chefredakteur des DSD habe ich insgesamt 110 Ausgaben herausgebracht. Aber, alles hat seine Zeit. Florian Graf wird auch diese Aufgabe übernehmen. Ihm, seinem Team in Berlin und Bad Homburg, den Präsidien und Vorständen sowie allen Mitgliedern der Verbände der Sicherheitswirtschaft wünsche ich auch in der Zukunft viel Erfolg! Ihr Dr. Harald Olschok

2 DSD 1 | 2022 Inhalt 40 44 EDITORIAL 1 • Dr. Harald Olschok: Ich bin dann mal weg … 1 SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 3 • Martin Houbé: Veranstaltungswirtschaft in und nach der Pandemie 3 • Markus Illing: Veranstaltungsdienstleister haben zwei Horrorjahre hinter sich 6 • Im Gespräch mit Dirk Dernbach: „Event Security gehört zu den spannendsten Tätigkeiten der Branche“ 9 • Dirk Bernhardt: Die Wiederauferstehung der Veranstaltungssicherheit 12 • Hendrik Grosse-Lefert: Der DFB und sein nachhaltiges Sicherheitsmanagement 15 • Timo Seibert: UEFA EURO 2024 in Deutschland 18 • Im Gespräch mit Fabian Stegmaier und Christian Delp: Für Sicherheits-Fans 20 • Malte Schönefeld, Patricia M. Schütte, Yannic Schulte und Frank Fiedrich: Veranstaltungsschutz in und nach der Pandemie – das Forschungsprojekt NORMALISE 23 • 7. IBIT Fachtagung Veranstaltungssicherheit ein riesiger Erfolg und wichtiges Zeichen an die Branche 28 WHO ISWHO DERVERANSTALTUNGS- UNDMESSEDIENSTE 30 WIRTSCHAFT UND POLITIK 38 • Im Gespräch mit Axel Hartmann: Sicherheitsdienstleistungen werden digitaler 38 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: BDSW setzt Themen und Akzente auf 3. Berliner Kongress für wehrhafte Demokratie 40 • MinDir a.D. Reinhard Rupprecht: Wirtschaftskriminalität – ein interpretationsbedürftiges Phänomen 42 • Prof. Dr. Sven Eisenmenger: Ein Jahr FORSI 2.0 in Hamburg 44 • security essen Beiratssitzung 46 • Bernd M. Schäfer: Vermeidbarer Blindflug 47 BERICHT AUS BERLIN 50 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Koalitionsvertrag: Eigenständiges Gesetz für private Sicherheitswirtschaft wird das Licht der Welt erblicken 50 INFO WIRTSCHAFTSSCHUTZ 52 • Holger Köster: Ein Teil unseres Lebens 52 • Klaus Henning Glitza: Desinformation kontra Unternehmen und handelnde Personen: Gefährlich, effektiv und keinesfalls selten 53 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Analysen und Hilfestellungen zumWirtschaftsschutz 55 SICHERHEITSFORSCHUNG 56 • Kirsten Wiegand: BASIC – Start ins dritte Projektjahr 56 INTERN 57 RECHT 60 • RA Cornelia Okpara: Arbeitsrecht in Kürze 60 VERGABERECHT 63 • RA Alexander Nette: Bewertung von Konzepten – notwendige Dokumentation bei Wertung 63 • RA Jonas Kollewe: Rechtschutz im Vergaberecht 65 EUROPA 67 • Alexander Frank: EU-Förderprojekt INTEL: Skills Intelligence für die Sicherheitswirtschaft 67 BÜCHERMARKT 69 NAMEN UND NACHRICHTEN 71 SICHERHEIT VON A BIS Z 75 IMPRESSUM 79 DAS LETZTE 80 • Florian Graf: Die Sicherheitswirtschaft braucht neue politische Rahmenbedingungen! 80 ANMERKUNG DER REDAKTION: Zur leichteren Lesbarkeit wurde auf zusätzliche Bezeichnungen in weiblicher Form verzichtet und nur die männliche Form verwendet. Angesprochen sind natürlich alle Geschlechter. © bychykhin – stock.adobe.com 18

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 3 DSD 1 | 2022 ist Geschäftsführer der Special Security Services Deutschland SSSD GmbH, Bergheim und Vorsitzender des Arbeitskreises Veranstaltungsordnungsdienste (VOD) im BDSW. Martin Houbé Veranstaltungswirtschaft in und nach der Pandemie Von Martin Houbé Und plötzlich ging das Licht in den Veranstaltungsstätten aus. Was – eigentlich – unvorstellbar war, denn„Brot und Spiele“ gab es immer und wird es immer geben. Es war für uns undenkbar, dass Großveranstaltungen, vomVolksfest über Fußball bis zu Rock-/ Pop-Konzerten, einfach nicht mehr genehmigungsfähig sind! Und es passierte doch, es war der 10. März 2020, kurz bevor am 16. März 2020 der für alle in der Republik spürbare erste „Lockdown“ in Kraft trat, als per Erlass Veranstaltungen nahezu unmöglich wurden. Der Schock war groß, Sicherheitsunternehmen sowie alle anderen Dienstleister der Veranstaltungswirtschaft hatten von heute auf morgen bis zu 100 Prozent Umsatzverlust. Betrachtete man die Struktur der Beschäftigungsverhältnisse der Veranstaltungssicherheitsdienstleister, wird das Ausmaß und die langwierige Konsequenz aus dem – notwendigen – Erlass von März 2020 sichtbar. Veranstaltungen sind – pandemieunabhängig – in ihrer Anzahl, Art, Größe und Intensität nur schwer langfristig, detailliert planbar. Das Publikum eines Künstlers kann sich in kürzester Zeit vollkommen verändern. Bereits ein neues Youtubevideo mit entsprechendem Social-MediaAuftritt kann die Publikumsstruktur und somit die notwendigen Maßnahmen – vor allem den Personalansatz – innerhalb der Sicherheitsarchitektur einer Veranstaltung massiv verändern. Beachtet man, dass einige Veranstaltungen für das Sicherheits- und Ordnungsdienstunternehmen eine Personaldecke von mehreren Hundert Mitarbeitern verlangt – die durchschnittliche Einsatzzeit des einzelnen Mitarbeiters aber nur ca. 5,5 Stunden Arbeitszeit beträgt –, wird nachvollziehbar, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse hier nicht die Regel sein können. Die Nebenerwerbstätigen, meist Minijobber, sind das Rückgrat der Veranstaltungsdienstleister. Das hohe Maß an geforderter Flexibilität – gearbeitet wird, wenn andere feiern – sowie die richtige Qualifikation und Schulung für den jeweiligen Mitarbeiter sind herausfordernde Aufgabe der Unternehmen unserer Branche. Bedingt durch das Durchführungsverbot von Publikumsveranstaltungen aus dem Frühjahr 2020, mussten die Unternehmen umgehend neue Tätigkeitsfelder akquirieren. Für die im Segment Veranstaltung spezialisierten Unternehmen ein oft nicht erfolgreiches Unterfangen. Die Anpassung und Sonderregelung des Kurzarbeitergeldes war eine erhebliche Erleichterung für die im Geltungsbereich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bedauerlicherweise gab es für ca. 80 Prozent der Beschäftigten der Branche, die Minijobber, keine Hilfe. Mitarbeiter und somit Know-how, Investitionen in Qualität und Qualifikation gingen in großem Umfang verloren. Bis heute ist es fraglich und als extreme Herausforderung für 2022/2023 zu verstehen, ob es gelingen wird, abgewanderte und neue Kräfte wieder für unsere Branche zu gewinnen. Nach der Schockstarre im März 2020 standen die Telefone der Sicherheitsdienste jedoch nicht mehr still. Lebensmittelmärkte benötigten Kräfte für die in der Corona-Schutzverordnung vorgesehenen Kapazitätsbeschränkungen und damit einhergehenden Zugangsbeschränkungen ihrer Märkte. Es ergab sich plötzlich ein neues, wenn auch zeitlich begrenztes, Aufgabengebiet für Sicherheitsdienste. Aber mit den Zugangskontrollen allein war es nicht getan, Menschen „vor der Türe“ und im Markt müssen gemanaget werden. Und so werden auch die veranstaltungsordnungsdienstlichen Aufgaben aus anderen Bereichen als üblich angefragt. Ein neuer Typ der Dienstleistung wurde entwickelt. Ein hier eingesetzter Mitarbeiter benötigt zur tatsächlichen Zutrittsverweigerung eine Qualifikation als Bewacher. Für die zu managenden Personendichten gute Kommunikationsfähigkeiten, Kenntnisse und Befähigungen aus den Hygieneschutzkonzepten, Kenntnisse der aktuellen Schutzverordnungen sowie Crowd-Management-Kenntnisse. Es entstanden ähnliche Aufgabenfelder in den unterschiedlichsten Bereichen. Seien es städtische Ämter, Krankenhäuser, Schnelltestzentren, Impfzentren, Quarantäne-

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 4 DSD 1 | 2022 einrichtungen oder auch andere pandemiebezogene Einrichtungen. Der intensive Bedarf an Crowd-Management-Aufgaben, also das Lenken und Leiten von Menschen, bestimmt die temporäre Ausrichtung der Veranstaltungssicherheits- und Veranstaltungsordnungsdienstleistungen. Flächenplanung ist ein Schlagwort, das nun in neuen Dimensionen gedacht werden muss. Nicht nur in Veranstaltungsstätten sondern auch in Standesämtern, Straßenverkehrsämtern, Schnelltestzentren, in Büros und Produktionsstätten. Denn neben Kapazitäten müssen auch Wartebereiche und Anstellflächen überdacht werden. Das oberste Credo lautet „Abstand halten“. Es entstehen neue Aufgaben und es müssen Flächen definiert werden: vor Einlässen und Zugängen, vor der Gastronomie und den MerchandiseStänden, vor den WC-Bereichen, in Kantinen und Büros. In-frastrukturell sind dies Herausforderungen, denn in der Flächenplanung sind wesentlich mehr Abstandsflächen notwendig als vor der Pandemie. Die Besucher müssen wiederkehrend darauf hingewiesen werden, sich an die Vorgaben zu halten. Sind dies klassische Aufgaben eines Sicherheitsdienstes? Was wird bewacht? Oder ist es eine ordnungsdienstliche Tätigkeit? Oder doch nur Hygienemaßnahmen? Betreiber und Veranstalter machen sich gleichermaßen Gedanken darüber, wie man weiterhin Veranstaltungen durchführen kann. Vielseitige gut durchdachte Hygienekonzepte und Customer-Journey-Konzepte werden geschrieben; Veranstaltungen bekommen einen ganz neuen Blickwinkel. Wer fasst eigentlich welche Flächen an? Wie häufig müssen WC-Bereiche desinfiziert werden? Ist die Desinfektion die richtige „Reinigung“? Werden Handläufe desinfiziert? Sind Personenvereinzelungsanlagen eigentlich in einem solchen Hygienekonzept bedacht? Und wer kontrolliert das? Es entstehen wieder neue Aufgaben und Personalien, vornehmlich für den Hygienedienstleister. Alles ist bereit, aber die Veranstaltungsstätten bleiben weiterhin geschlossen, denn die Durchführung von Veranstaltungen in „altbekannter Art und Weise“ ist noch nicht umsetzbar. Einige wenige Konzepte werden umgesetzt und ein wenig kulturelles Leben erwacht. Es werden Autokino-Konzerte, Picknick-Konzerte oder auch Indoor-Konzerte beispielsweise in getrennten Boxensystemen durchgeführt. Autokinos erleben ein Revival, kleinste Veranstaltungen und Messen werden umgesetzt, aber irgendwie ist dochalles anders…Gäste sindargwöhnisch, ob bei der Umsetzung der geforderten Hygienestandards und der geforderten Dokumentationen alles richtig gemacht wurde. Die Rückmeldungen der Besucher verändern sich. Nun heißt es nicht mehr „Warum werde ich überhaupt kontrolliert?“ oder auch„Warum werde ich nicht adäquat kontrolliert?“, sondern „Warum sitzen diese Menschen dort so nah nebeneinander imWartebereich/in der Kantine/…?“,„Ist diese Toilette denn auch tatsächlich soeben desinfiziert worden?“ oder „Niemand hat darauf geachtet, dass ich den ganzen Aufenthalt über meine Mund-Nasen-Bedeckung trage!“. So plätschert das kulturelle Leben seit dem Frühjahr 2020 mal mehr und mal weniger vor sich hin. Immer wieder erwecken sinkende R-Werte, Inzidenzwerte, Todeszahlen, Zahlen Geimpfter usw. einen leichten Hoffnungsschimmer, dass auch die Veranstaltungsbranche vielleicht doch wieder zurück in die Normalität findet. Und immer wieder ergeben sich neue pandemische hard facts, welche dies nicht in großer Bandbreite zulassen. Und selbst wenn es, wie aktuell erwartet ab März 2022, die pandemische Lage zulassen wird, Veranstaltungen mit weniger Beschränkungen und größerer Kapazität in Deutschland zu genehmigen, werden internationale Künstler erst wieder auf Tournee gehen, gehen können, wenn die globale Situation eine Planung und Durchführung zulässt. Dennoch, wird überall analysiert, wie es wohl sein würde, wenn alles zurückfindet in diesen „Alltag der Vergangenheit“. Gibt es das überhaupt noch? Oder ist es ein Trugschluss zu glauben, dass dies möglich wäre? Möchten Besucher von VeranstalBilder: Special Security Services Deutschland SSSD GmbH

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 5 DSD 1 | 2022 tungen heute wie noch vor zwei Jahren eng an eng vor der Bühnenabsperrung stehen und ihren Idolen zujubeln, eine Bierdusche ertragen und den verschwitzten Nebenmann „akzeptieren“, ohne zu wissen, wer es ist und ob seine Daten geprüft und zur Nachverfolgung notiert sind? Um es kurz zu machen: Ich glaube, ja. Viele potenzielle Konzertbesucher, werden sich genau danach sehnen und stehen bereits mit scharrenden Hufen in den Startlöchern, darauf wartend, dass man sie wieder lässt. Die Welle, die uns in der Veranstaltungsbranche erwartet, wird extrem sein und intensive Herausforderung für Ressourcen und Know-how werden. Aber, abgesehen von den Besuchern, wie steht es denn um die Unternehmen der Veranstaltungssicherheit und Veranstaltungsordnung? Gibt es diese noch? Hier ist eine Antwort gar nicht so einfach. Teils konnten sich die Unternehmen über „neue“ Dienstleistungen, wie oben geschildert, halten, viele aber auch nicht. Und wenn, dann leider nicht mehr in vorpandemischen Größen, mit entsprechenden Personalzahlen. Eine erhebliche Anzahl von Beschäftigten hat sich in andere Berufszweige umorientiert; innerhalb der Branche in sicherere Gewässer, wie beispielsweise den Objektschutz. Aber ganz klar auch außerhalb der Branche in gänzlich neue Berufsbilder. Supermarktkonzerne suchten und suchen Mitarbeiter zum Einräumen von Waren in Regale, angepasst an das geänderte Einkaufsverhalten. Lieferservices, seien es Restaurants oder Supermärkte, werden genutzt wie nie und benötigen entsprechendes Personal. Und auch Paketzusteller, Mitarbeiter bei großen Versandhäusern und alle hiermit zusammenhängenden Berufe werden händeringend gesucht. Nicht zu vernachlässigen ist da noch der Respekt vor der pandemischen Lage an sich. Möchte man in solchen Zeiten mit „so vielen Fremden“ in Kontakt kommen? Für nebenerwerblich Tätige stellen sich diese Fragen teilweise gar nicht, da die Hauptarbeitgeber oft die Ausübung des Minijobs untersagen. Andere benötigen in Zeiten ohne Fernreisen, ohne geöffnete Restaurants und wenig Freizeitgestaltungsmöglichkeiten aber auch einfach das zusätzliche Einkommen nicht mehr; lernen Verzicht und finden heraus, dass es auch gut und gerne ohne geht. Die nunmehr beinahe eingeschlafene Veranstaltungswelt konkurriert also mit Jobangeboten, bei welchen die aktuelle Nachfrage immens und somit in Teilen auch die Bezahlung sehr gut ist, aber auchmit der Sicherheit des Zu-HauseBleibens. Viele Unternehmen haben also starke Verluste an verfügbaren Arbeitskräften. Für die pandemische Auftragslage mag dies dem ein oder anderen gar nicht so dramatisch vorkommen. Aber was passiert nun, wenn wir tatsächlich zurück in den „Alltag der Vergangenheit“ gehen? Wenn das Licht in den Veranstaltungsstätten genauso plötzlich wieder angeht, wie es vor zwei Jahren ausgegangen ist? Die Menschen sind kulturhungrig und wollen wieder etwas erleben. Der Veranstaltungskalender platzt in der gesamten Republik aus allen Nähten. Kann eine zwei Jahre in den Winterschlaf versetzte Branche mit verringerten Personalzahlen dieses Pensum dennoch leisten? Dienstleister versuchen mit teils sehr aufwendigen Marketingstrategien neues Personal zu finden, verkaufen Freizeiterlebnis als Jobs. Und dennoch bleibt das große Rennen auf die freien Stellen – jedenfalls bislang – aus. Ist es der noch andauernde Respekt vor der pandemischen Lage? Ist es der Gedanke, dass „gerade ja sowieso nichts läuft“, also warten potenzielle Bewerber, bis die Branche tatsächlich aus dem Dornröschenschlaf erwacht, und bewirbt sich erst dann wieder, wenn wirklich etwas geboten werden kann? Und wo sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen, die vor der Pandemie noch da waren? Kann man diese zurückgewinnen oder sind sie ein für alle Mal in den Supermarktregalen/Paketlagern/… angekommen und nicht mehr zurückzugewinnen? Angekommen in anderen Jobs, wo die Wertschätzung kein unbekanntes Wort ist, Schichtpläne, langfristige Einsatzplanung üblich sind und nicht wie der Veranstaltungswelt unvorhersehbar kurzfristig gearbeitet wird – wenn andere feiern. Wer also wird die Dienstleistung erbringen, wenn in der gesamten Republik zeitgleich kulturhungrige Fans darauf warten, dass sich die Einlässe der großen Stadien oder Festivals öffnen und endlich wieder alles laut, verschwitzt und voller Adrenalin und Endorphine ist? Aktuell ist eine Einschätzung der Personallage nicht einfach und die Gewinnung von neuem, qualifiziertem Personal fällt nach wie vor niemandem in den Schoß. Ich glaube aber fest daran, dass mit steigenden Temperaturen und wieder mehr Freiheiten für uns alle auch wieder das Interesse und die Vorfreude steigt, an Veranstaltungen mitzuwirken und ein Teil des großen Ganzen zu sein. Ich bin mir sicher, dass das bevorstehende Veranstaltungsjahr – sofern es so stattfindet, wie die Planung es vorhersagt – eine große Herausforderung für die Branche der Veranstaltungssicherheits- und Veranstaltungsordnungsdienste wird. Dennoch ist es keine unlösbare Aufgabe. Es braucht aber viele spitze Bleistifte, kluge Gedanken und sinnvolle Absprachen sowie offene Ohren auf allen Seiten, sodass eine gute Planung im Vorfeld stattfinden kann und wir weiterhin alle gemeinsam positiv und voller Vorfreude auf das Erwachen der Veranstaltungsbranche blicken können. Ich persönlich, kann es kaum abwarten!

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 6 DSD 1 | 2022 Veranstaltungsdienstleister haben zwei Horrorjahre hinter sich Der sechstgrößte Wirtschaftszweig hat begonnen, sich politisch zu formieren. Ein Rückblick auf die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft 2021. Von Markus Illing Im Januar 2020 kam Corona nach Deutschland. Anfang März 2020 kollabierte die gesamte Veranstaltungswirtschaft aufgrund des Event-Lockdowns der Regierung. Die wirtschaftliche Situation des Sektors verschlechterte sich schlagartig. Eine komplette Branche von Kulturschaffenden, Technikern, Agenturen, freischaffenden Künstlern, Sicherheitsfachkräften auf Veranstaltungen, Messebauunternehmen und 150 weiteren Berufsgruppen war plötzlich in aller Härte Leidtragender der Pandemieschutzmaßnahmen. Branche unsichtbar Nach wenigen Wochen des Schockzustandes wurde ein eklatantes Problem sichtbar: Für die politischen Entscheider war der komplette Veranstaltungssektor überhaupt nicht präsent. Und das, obwohl es hier um den sechstgrößten in Deutschland geht. Mehr als 240.000 Unternehmen, 1,13 Mio. Beschäftigte und ein Jahresumsatz vor der Krise von rund 81 Mrd. Euro waren für Politik und Öffentlichkeit unsichtbar. Im Fokus der Regierung und ihrer Hilfen standen die anderen großen – und in Berlin gut vertretenen – Branchen wie die Automobilindustrie, Luftfahrt und Reisebranche. Branche fragmentiert Es wurde deutlich, dass die Branchenakteure eine gemeinsame Plattform brauchen. Denn bisher war die Veranstaltungsbranche facettenreich, aber auch fragmentiert und in Segmente gegliedert. Diese hatten oft wenig miteinander zu tun. Theatermacher und Konzertveranstalter hatten kaum Kontakt zu Messebauunternehmen, Caterern oder anderen Akteuren der Veranstaltungswirtschaft. Zudem war politisch nie die Notwendigkeit einer starken Repräsentanz für diese Branche gegeben. Branche lange ohne Hilfen Mit der Pandemie änderte sich dies schlagartig. Es entstand der dringende Bedarf, gegenüber Politik und Regierungen in Bund und Ländern mit einer Stimme zu sprechen. Während andere Sektoren und Akteure rasch sichtbar waren und kurzfristig wirtschaftliche Überlebenshilfen bekamen, musste die Veranstaltungswirtschaft faktisch bis zu den Novemberhilfen (ff.) warten, die erst im Folgejahr zur breiteren Auszahlung kamen. Noch im November rechneten 40 Prozent der Branchenbetriebe mit einer Insolvenz bis zum 15. Dezember 2020. Branche mit langfristigen Folgeschäden Über 20 Monate nach Krisenbeginn haben viele Betriebe und Soloselbstständige zwar die Krise überlebt, aber mit größten Schäden. Eigenkapital und Altersvorsorge, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden, waren aufgezehrt. Kredite müssen langfristig zurückgezahlt werden. Fachkräfte und Mitarbeiter haben der Branche – von Kurzarbeit, Lohneinbußen und Arbeitsverbot frustriert – den Rücken gekehrt. Eine bislang ausgezeichnete Reputation wurde u. a. von Politikern stark in Mitleidenschaft gezogen, die Veranstaltungen ohne jegliche wissenschaftliche Basis als Superspreader und verzichtbare Partys diffamierten. ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender von fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft. Der Verband hatte die Organisation der Bundeskonferenz im Jahr 2021 übernommen. Markus Illing

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 7 DSD 1 | 2022 Branche braucht Einigkeit Durch die Coronapandemie ist das Bewusstsein für den Wirtschaftszweig gestiegen. Sowohl bei den Betroffenen selbst wie auch im politischen Betrieb. Schnell wurde allen Beteiligten bewusst dass die nächste Krise jederzeit genauso plötzlich auftauchen kann, wie Corona. Die Branche wird kein zweites Mal eine derartige Zitterpartie überleben. Auf dieser Basis wurde die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft als interdisziplinäre Plattform gestartet. Inklusiver Prozess der Teilhabe Im Mai 2021 hat die Planung der Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft begonnen. Branchenvertreter aus über 200 Organisationen wurden wiederholt eingeladen, sich über regelmäßige Newsletter sowie persönlich überWebinare und Online-Treffen zu informieren und an der Vorbereitung und Ausgestaltung teilzunehmen. Interessenten konnten sich dann auf der Internetseite der Bundeskonferenz zu den einzelnen Arbeitsgruppen anmelden. Am 22. Juni 2021 setzte die Veranstaltungswirtschaft bei der zweiten Night of Light ein leuchtendes Zeichen. Tagsüber fand der digitale Auftakt zur Bundeskonferenz statt, bei dem die Podiumsteilnehmer unter anderem eine erste Zieldeklaration vorstellten. Dies waren Sandra Beckmann, Initiative für die Veranstaltungswirtschaft, Jan Kalbfleisch, fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft, Michael Presinger, Bundesverband deutscher Discotheken und Tanzbetriebe (im DEHOGA Bundesverband), Kevin Kratzsch, Deutscher Schaustellerbund, und Christian Eichenberger, Aktionsbündnis #AlarmstufeRot. Nach einer Pressekonferenz fand eine Paneldiskussion mit verschiedenen Bundespolitikern zur andauernden Notlage der Veranstaltungswirtschaft statt. Daran teilgenommen haben die Staatssekretäre Bettina Hagedorn MdB und Thomas Bareiß MdB sowie Michael Kellner (Bündnis 90/Die Grünen), Janine Wissler (Die Linke) und Michael Theurer (FDP). Im Anschluss daran hat die Bundeskonferenz ihr erstes übergeordnetes Ziel erreicht: die Vielfalt und Größe der Branche ins Rampenlicht zu stellen. Gemeinsammit der Initiative #AlarmstufeRot fand am Abend die zweite bundesweite Protestaktion Night of Light nach 2020 statt, um erneut ein Zeichen der Solidarität für alle Lockdown-betroffenen Event- und Kulturschaffenden zu setzen. Plattform hilft, Branche zu einen Rund 40 unterstützende Organisationen haben sich an der Konzeption und Umsetzung der Veranstaltung beteiligt. Das Ziel der Bundeskonferenz war es, den unterschiedlichen Beteiligten mit ihren gemeinsamen Interessen und politischen Forderungen eine starke Stimme zu verleihen. Die branchenumfassende, interdisziplinäre Plattform diente dem Austausch von 150 Berufsgruppen. Sie steht für den Ort, an dem Organisationen, Verbände, Unternehmen und Individuen ihre politische Agenda setzen und vorantreiben können. In Zukunft soll der Sektor als eigenständiges Wirtschaftsfeld besser sichtbar werden, um auch die globale Wettbewerbsfähigkeit und zukunftsfähigen Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Forderungen überreicht Da die Veranstaltungswirtschaft in keinem Wahlprogramm der Parteien vorkam, wurden gemeinsame politische Forderungen für die neue Legislaturperiode erarbeitet. Im Vorfeld hatten sich Fokusgruppen gebildet und mögliche Ansprüche und Themen zusammengetragen und formuliert. Am 28. Oktober 2021 haben die rund 300 Teilnehmer der Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft – hybrid in Berlin – die politische Agenda für den sechstgrößten Wirtschaftszweig priorisiert. Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn nahm in diesem Rahmen den Forderungskatalog entgegen. Bilder: Alexander Franz

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 8 DSD 1 | 2022 So lang die Krise andauert, müssen die Hilfen andauern Der Katalog besteht aus 33 politischen Forderungen an die neue Regierung. Schon die fünf wichtigsten Ansprüche zeigen die noch immer bestehenden Probleme der Branche. Und dies trotz der bisherigen Hilfsbemuhungen der Regierung. Die erste Forderung ist die Anpassung des Überbruckungsprogramms: Um der Veranstaltungswirtschaft eine Perspektive zu geben, soll dieses bis sechs Monate uber das Ende aller COVID-19-Einschränkungen hinweg verlängert werden. Als Zweites soll die Neustarthilfe ebenfalls verl ngert werden auf über sechs Monate nach Krisenende. Denn schließlich haben Veranstaltungen einen Planungsvorlauf von bis zu zwölf Monaten, bevor eigene Umsätze fur eine Stabilisierung sorgen können. Derzeit ist die Neustarthilfe zu gering und liegt unter Mindestlohn und Existenzminimum. Drittens wird die geplante Beendigung der Kurzarbeit in der bisherigen Form Anfang 2022 zu Kundigungen fuhren, obwohl in der Branche schon Fachkr ftemangel herrscht. Wegen der andauernden Planungsunsicherheit fordert die Bundeskonferenz eine Verlängerung der Kurzarbeit ebenfalls bis sechs Monate nach Beendigung aller Coronabeschränkungen. Das beinhaltet den vereinfachten Zugang, die erhöhten Sätze, die Zuverdienstm glichkeit für Mitarbeiter und die Übernahme von 100 Prozent der Sozialversicherungskosten – auch uber das Coronaende hinaus. Viertens muss es einen „Marshallplan“ fur die Branche geben. Dieser muss ein Investitionsprogramm fur Neustart und Ausfallkosten beinhalten. Funftens wird ein Regierungsbeauftragter fur die Branche verlangt, nach dem Vorbild des Beauftragten fur Tourismus und Mittelstand. Politische Vertretung Im Rahmen der Veranstaltung wurden politische Vertreterinnen und Vertreter für die Branchenanliegen gew hlt. Diese repr sentieren die Bundeskonferenz in Zukunft gegenüber Regierungsstellen. Die elf gew hlten Repr sentanten sind Jörg Steffen Balzert, Veranstaltungstechniker, Sandra Beckmann, Selbstständige, Event-Kombinat Castrop-Rauxel, Christian Eichenberger, Vorstandsvorsitzender der Party Rent Gruppe, David Eickelberg, Inhaber der Touchdown! Event Solutions, Marcel Fery, Vorstandsmitglied der TSE AG fur Veranstaltungstechnik, Alexander Franz, Kreistagsfraktionsassistent, Mike P. Heisel, Musik- und Medienmanager, Kerstin Meisner, Herausgeberin beim memo-media Verlag, Jennifer MulindeSchmid, Inhaberin Schwarze Heidi, Alexander Ostermaier, Mitinitiator von #AlarmstufeRot und langjähriger Geschäftsfuhrer von Neumann & Muller Veranstaltungstechnik, sowie Bernard vom Bauer, Projektleiter bei AtmosphereWiesbaden. Umdie in der Krise gewonnene politische Wahrnehmung auch künftig sicherzustellen, soll die Konferenz j hrlich stattfinden. So kann permanent die aktuelle konomische Notlage der Branche – intern und gegenüber der Politik in Bund und L ndern – reflektiert werden, um den sechstgr ßten Wirtschaftszweig Deutschlands für die Zukunft zu stabilisieren und zu sichern. Stetiger Prozess der Interessenvertretung Die Vertreterinnen und Vertreter widmen sich seit ihrer Wahl der politischen Interessenvermittlung auf den Ebenen des deutschen politischen Systems. Das machen sie inhaltlich auf Grundlage der beschlossenen 33 Forderungen. Der Zeitpunkt ist gut, beginnt doch gerade die Umsetzung des noch jungen Regierungsprogramms für die n chsten Jahre. Sie werden zudem permanent Schwerpunktthemen und Bedürfnisse der Branche synchronisieren und dienen als Ansprechpartner für die unterschiedlichen Teilbelange. Aufgabe der elf Personen wird es deshalb auch sein, in der Branche zuwirken, Vertrauen aufzubauen undweitere Unterstützer für das Projekt Bundeskonferenz zu gewinnen. Dieses Projekt steht schließlich noch amAnfang seiner Entwicklung. Am Ende ist das große Ziel, an die Politik ein Signal zu senden: Die facettenreiche Branche mit ihren über 200 Verb nden und Initiativen kann relevante Themen und wirksame L sungsvorschl ge benennen, die politische Entscheider brauchen, um ihren Gestaltungsauftrag zu erfüllen. Der ehrenamtlich t tige VertreterInnen-Rat wird schließlich auch die Bundeskonferenz 2022 vorbereiten, eine Schirmherrschaft dafür gewinnen, in die Branche hineinh ren, um die erarbeiteten Forderungen stets zu aktualisieren. Die Branche ist nicht nur vielf ltig, sondern in manchen Teilen schon bestens verbandlich organisiert. Deshalb will die Bundeskonferenz für alle Beteiligten ein offenes Format sein, um einem gemeinsamen Ziel zu dienen: In Politik und Öffentlichkeit soll der sechstgr ßte Wirtschaftszweig angemessen wahrgenommen und nicht mehr vergessen werden. Die Bundeskonferenz will keinen neuen Verband schaffen. Sondern sie ist ein sich stetig weiterentwickelnder Prozess, den die Akteurinnen und Akteure der Veranstaltungswirtschaft gestalten.

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 9 DSD 1 | 2022 „Event Security gehört zu den spannendsten Tätigkeiten der Branche“ Im Gespräch mit Dirk Dernbach Dirk Dernbach über die Perspektiven eines Geschäftszweigs des Sicherheitsgewerbes, der seit zwei Jahren am Boden liegt. Herr Dernbach, manchmal braucht es offensichtlich äußere Anlässe, um sich auch Selbstverständlichkeiten wieder ins Gedächtnis zu rufen. Als ich im vergangenen November von der Massenpanik bei einem Konzert in Houston (Texas) erfahren habe, bei dem zehn Menschen zu Tode getrampelt wurden, dachte ich so bei mir: Ach ja, Event Security – das war ja vor der Pandemie auch im deutschen Sicherheitsgewerbe mal ein wichtiges Thema. Ist das denn noch der Rede wert? Dirk Dernbach: Selbstverständlich, denn die Pandemie wird ja eines Tages vorüber sein. Auch wenn in Deutschland die Lage, gelinde gesagt, diffus ist und viele Veranstaltungen gar nicht oder nur mit wenig Publikum stattfinden, zeigt ja gerade das von Ihnen genannte Beispiel, wie aktuell das Thema ist. Keine Sorge also, Event Security bleibt auf der Agenda, allerdings hoffentlich weniger tragisch als in Houston. Eigentlich sollte man doch glauben, dass nach den verheerenden Massenpaniken beispielsweise im Brüsseler Heysel-Stadion 1985 oder bei der „Love Parade“ 2010 in Duisburg zumindest die westliche Welt gelernt haben sollte, wie sich so etwas verhindern lässt. Dirk Dernbach: Wo immer man mit Menschen zu tun hat, kann es zu Fehlern kommen. Ich will mir nicht anmaßen, das Unglück in Houston zu bewerten, denn ich weiß auch nicht mehr, als in der Zeitung stand. Aber so wie es aussieht, war entweder das Sicherheitskonzept mangelhaft oder manche Beteiligte haben sich nicht daran gehalten. Das lässt sich nie ganz ausschließen. Oder anders ausgedrückt mit der Binsenweisheit des Gewerbes: 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Dirk Dernbach: Ganz genau. Trotzdem sind Polizei, Veranstalter und Sicherheitsdienstleister für alle bekannten Risiken doch sehr sensibilisiert und können auf einen guten Maßnahmenkatalog zurückgreifen. Was wären denn unbekannte Risiken? Dirk Dernbach: Eine gute Frage, und ich bin versucht, sie mit dem ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu beantworten: „Es gibt bekanntes Bekanntes; es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Wir wissen auch, dass es bekannte Unbekannte gibt: Das heißt, wir wissen, es gibt Dinge, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch unbekannte Unbekannte – Dinge also, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen.“ Das ist zutreffend und Blödsinn zugleich, beschreibt aber ganz gut die Lage der Event Security. Wer hätte denn gedacht, dass – wie in Las Vegas 2017 – ein Scharfschütze auf die Besucher eines Festivals zielt und 58 Menschen erschießt? Das war neu. Aber hier stellt sich die Frage: Wie will man sich auf so etwas vorbereiten? Ähnlich verhält es sich mit der Drohnenthematik. Es hat bei Events schon jede Menge kritische Situationen mit Drohnen gegeben, bei denenman hinterher den Atem angehalten hat. Passiert ist bislang zum Glück nichts. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt. Noch ein Beispiel: Auto fährt in Menschenmenge – bis vor Jahren unbekannt, heute keine Überraschung mehr. Ein bekanntes Risiko, das oft nur schwer zu beherrschen ist: Unwetter. Wenn’s in Strömen regnet, es donnert und kracht, reagieren vielen Menschen irrational und panisch. Das lässt sich nur begrenzt beherrschen, auch mit der besten Vorbereitung. Die Liste der möglichen Risiken wächst also. Berücksichtigen die Sicherheitsdienstleister denn diese neuen Risiken bei ihren Schulungen? Dirk Dernbach: Selbstverständlich. Es werden immer Beispiele aus der Praxis aufgenommen und analysiert. Zugleich müssen wir aber festarbeitet seit 2008 für Securitas. Dort leitete er in der Funktion als Geschäftsführer verschiedene Bereiche des Firmenportfolios, darunter mehrere Jahre als Geschäftsführer den Bereich Sport & Event. In seiner derzeitigen Tätigkeit verantwortet er als „Areamanager West“ die Securitas-Gesellschaften in Nordrhein-Westfalen. Die Erstveröffentlichung des Interviews erfolgte am 26. Januar 2022 unter: www.marktplatz-sicherheit.de. Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung. Dirk Dernbach

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 10 DSD 1 | 2022 halten: Am Ende sind die Sicherheits-Dienstleister ja oftmals nur ausführendes Organ, das das Sicherheitskonzept in der Praxis umsetzt, das der Veranstalter, unter Umständen unter Zuhilfenahme von Ordnungsamt, Polizei usw., erarbeitet hat und für das dieser auch originär verantwortlich zeichnet. Mal ganz allgemein gefragt: Was gehört denn in Sachen Event Security zu den Aufgaben der privaten Sicherheitskräfte? Dirk Dernbach: Das ist ein weites Feld – beginnend mit der Zutrittskontrolle, seit Neuestem inklusive Prüfung der Impfnachweise, über die Außenabsicherung, Bühnenschutz, Freihalten von Verkehrs- und Rettungswegen, Verhindern des Mitführens unerlaubter Gegenstände bis hin zur Bedienung der Sicherheitstechnik. Herrscht hier denn wie bei anderen Sicherheitsaufgaben auch das ungeschriebene Gesetz, dass der billigste Anbieter den Auftrag erhält? Dirk Dernbach: Naja, es gibt Ausnahmen, um es diplomatisch zu formulieren. Ideal wäre es beispielsweise, wenn alle Sicherheitsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter die Komplexität der gesamten Sicherheitslage überschauen könnten statt nur ihr Einsatzfeld im Umkreis von zehn Metern. Dazu müsste es eine Ortsbegehung geben – die Zeit und damit Geld kostet. Das wollen die wenigsten Veranstalter bezahlen. Haben Sie schon mal einen Event-Security-Auftrag abgelehnt, weil der Veranstalter zu wenig bezahlen wollte? Dirk Dernbach: Das ist gerade vorige Woche passiert. In einem anderen Fall haben wir den Veranstalter darauf hingewi-

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 11 DSD 1 | 2022 esen, dass er die Personalstärke als zu gering einschätzt, um die Sicherheit zu gewährleisten, und wir den Auftrag nur mit einer Personalaufstockung durchführen würden. Bezeichnenderweise haben wir den Auftrag dann nicht bekommen. Wenn der Sicherheitsdienst nur ausführendes Organ ist, wie Sie sagen, hält sich seine Haftung wohl in Grenzen, denn er kann ja nicht„schuld“ sein, wenn etwas schiefgeht. Dirk Dernbach: Es wird natürlich immer ein Schuldiger gesucht. Wenn man googelt, steht oft die Polizei in der Kritik, die aber auch, wenn alles gut verläuft, immer die Erste ist, die darauf hinweist, dass ihr Konzept aufgegangen ist. Gerade bei Veranstaltungsunglücken ist es aber doch sehr schwer, einen Schuldigen zu finden. Wenn bei einem Unwetter ein Aufbau umkippt – wer ist schuld? Oder nehmen Sie besagte Katastrophe im Heysel-Stadion. Ein korrupter UEFA-Verantwortlicher verkauft Tickets auf eigene Rechnung an ein Reisebüro. Dadurch gelangen Fans der einen Mannschaft in den Fanblock, der eigentlich für neutrale Fans vorgesehen ist. Es kommt zu Rangeleien, derer die nur acht dort eingesetzten Polizeibeamten nicht Herr werden. Private Sicherheitskräfte gab es nicht. Steine aus einer maroden Wand werden als Waffe eingesetzt. Die Wand kippt schließlich um und begräbt Menschen unter sich. Wer war schuld – der UEFA-Verantwortliche, die Polizei, der Stadionbauer oder der Betreiber? Eine müßige Suche nach einem Schuldigen. Wenn man dem Ganzen etwas Positives abringen möchte ist es dies, dass danach Maßnahmen umgesetzt wurden, in der Hoffnung, dass sich so was nicht wiederholt. Ist Event Security – von Corona mal abgesehen – eigentlich ein guter Einstieg für jemanden, der im Sicherheitsgewerbe Karriere machen will? Dirk Dernbach: Die Besonderheit dieser Sicherheitsdienstleistung liegt darin, dass für einen sehr kurzen Zeitraum sehr viele Sicherheitskräfte benötigt werden, beispielsweise bei einem Fußballspiel 1.000 Leute für fünf Stunden. Die Folge ist, dass auf diesemGebiet vor allem geringfügig Beschäftigte, also 450-Euro-Kräfte, arbeiten, die in der Mehrzahl hauptberuflich einer anderen Tätigkeit nachgehen. Insofern ist das also kein Karrieresprungbrett. Allerdings ist Event Security unter den verschiedenen Sicherheitstätigkeiten eine der spannendsten, denn es gibt die unterschiedlichsten Aufgaben und Szenarien. Die Stimmung bei der Sportveranstaltung, die Möglichkeit, mal einen Rockstar von ganz nahe zu erleben – das kann durchaus attraktiver sein, als jede Nacht dieselbe Route durchs Firmengebäude zu laufen. Aber wir haben auch schon einige unserer Eventkräfte anderweitig eingesetzt, die ihre Berufung nun in der Sicherheitsbranche gefunden haben. Was sind die Coronafolgen für diejenigen, die sich auf Event Security spezialisiert haben? Dirk Dernbach: Dass das Geschäft inzwischen seit zwei Jahren praktisch zum Erliegen gekommen ist, ist bekannt. Inzwischen gibt es wieder Veranstaltungen, aber viel zu wenig Personal. Das ist zwar im gesamten Sicherheitsgewerbe so, aber bei der Event Security viel dramatischer. Die vielen 450-Euro-Kräfte haben sich umorientiert und zögern aufgrund der Unsicherheiten, wieder zurück- zukommen. Neueinsteiger müssen ausgebildet werden. Das dauert, zumal auch die Ausbildungs- und Prüfungsinstitutionen erst langsam wieder in die Gänge kommen. Hier helfen sich die Marktteilnehmer derzeit gegenseitig als Subunternehmer. Wir sind in der vierten Coronawelle, die fünfte steht bevor – und die Politik macht die schlechteste Figur von allen. Wie sehen Sie die Perspektive in Sachen Event Security? Dirk Dernbach: Eine zuverlässige Prognose kann ich nicht stellen, dafür ist vor allem die Politik zu unberechenbar. Auch bleibt abzuwarten, wie viele Veranstalter die Krise überstehen. Es fallen ja auch nicht alle Events aus, sondern werden nur verschoben. Also ist damit zu rechnen, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt so viele Events gibt, dass sich das Personalproblem nochmals verschärft. Ich persönlich habe das Jahr 2024 im Blick – dann soll nämlich die Europameisterschaft in Deutschland stattfinden. Für die Eventbranche – ob Veranstalter, Künstler, Techniker oder Sicherheitsdienstleister – kann man nur wünschen, dass der Coronaalbtraum dann vorbei ist. Bilder: Securitas

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 12 DSD 1 | 2022 DieWiederauferstehung der Veranstaltungssicherheit Von Dirk Bernhardt Der Veranstaltungssicherheitsdienst und der -ordnungsdienst, als Teil der Sicherheitswirtschaft, wurden von der Coronapandemie und den damit verbundenen Einschränkungen hart getroffen. Mehr oder weniger über Nacht wurde dem Veranstaltungsgewerbe der „Boden unter den Füßen“ weggezogen. Künstler, Veranstalter, Musiker, Techniker und die Dienstleister, zu denen auch die Veranstaltungssicherheit zählt, sahen sich erstmals mit einer Situation konfrontiert, die nur sehr eingeschränkt Zukunftsperspektiven bot. Glaubte man anfangs noch, dass es nach ein paar Monaten unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen weitergehen würde, wurde einem spätestens mit Beginn des zweiten Lockdowns klar, dass diese Pandemie zu grundlegenden und existenziellen Veränderungen in der Veranstaltungssicherheit führen würde. „In der Pandemie wurden Veranstaltungen mit bis zu 90 Prozent weniger Service- und Sicherheitspersonal durchgeführt.“ Die Folgen Coronapandemie Betroffen vom Lockdown waren so gut wie alle Veranstaltungen im Bereich Musik, Sport, Show, Theater, Festival, Messe und Kongress. Aus den anfangs reduzierten Zuschauerzahlen wurden im weiteren Verlauf der Coronapandemie sehr schnell Veranstaltungsabsagen oder Geisterspiele in den Bundesligen. Die Auswirkungen dieser Entwicklung waren bei den Veranstaltungsordnungsdiensten deutlich zu spüren, denn die wenigen Veranstaltungen, die stattfanden, wurden teilweise mit bis zu 90 Prozent weniger Service- und Sicherheitspersonal durchgeführt. Es fehlte schlichtweg der Bedarf. Für die in der Veranstaltungssicherheit tätigen Unternehmen führte diese Entwicklung zu mehreren negativen Folgen. Die Coronakrise griff die finanzielle Substanz der Veranstaltungsordnungsdienste in Deutschland an. Gleichzeitig setzte im Personalbereich ein Negativtrend ein, der sich langfristig auswirken sollte. Schon seit Jahren wird in Deutschland intensiv darüber diskutiert, ob Mitarbeiter im Veranstaltungsordnungsdienst grundsätzlich eine Sicherheitstätigkeit ausüben. Im Falle eines „Platzanweisers“, einer Standardposition im Veranstaltungsordnungsdienst, stellt man fest, dass es sich im Allgemeinen um eine Servicetätigkeit handelt. Ein großer Anteil dieser Servicetätigkeiten wird in Deutschland von Minijobbern ausgeführt. Da ist die Studentin, die neben ihrem Studium Geld dazuverdienen möchte, oder der Frührentner, der gerne wieder einen aktiveren Teil in seinem Leben hätte. Personal als vulnerable Ressource Das Tagesgeschäft imVeranstaltungsgewerbe ist geprägt von unregelmäßigen Spitzen mit einem besonders hohen und anderen Phasen mit einem niedrigeren Mitarbeiterbedarf. An einem Samstag gehen statistisch gesehen mehr Menschen auf eine Veranstaltung als an einem Montag oder Dienstag. Damit solche Tagesvarianzen ausgeglichen werden können, bildet die Berufsgruppe der Minijobber eine wesentliche Säule im Veranstaltungsordnungsdienst. Zu Beginn der Pandemie waren es zuerst die Minijobber, die von den Veranstaltungsabsagen betroffen waren. Die schnell abnehmende Anzahl an Veranstaltungen führte bei den Veranstaltungsdienstleistern in kürzester Zeit dazu, dass Mitarbeiter nicht mehr voll beschäftigt werden konnten. Hinzu kam die zunehmende Angst vor dem Coronavirus und die anfängliche Verunist CMO und CRO bei B.E.S.T. Veranstaltungsdienste GmbH Berlin. Dirk Bernhardt

SCHUTZ VON VERANSTALTUNGEN UND MESSEN 13 DSD 1 | 2022 sicherung über die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen. Insgesamt führte diese Entwicklung zu einem raschen Personalabbau im Veranstaltungsordnungsdienst. Schnell wurde klar, dass man flexibler auf die Krise reagieren musste. Die Anpassung des Dienstleistungsspektrums auf andereWirtschaftsbereiche bot für die Veranstaltungsordnungsdienste, genauso wie für andere Sicherheitsunternehmen, einen Ausweg und eine gute Möglichkeit, sich der Krise anzupassen. Die Notwendigkeit, neue Lösungen für das Personal zu finden, betraf neben den Mitarbeitern auch die Sicherheitsmitarbeiter im Luftverkehr sowie die Geld- undWertdienste. „Ein ,Platzanweiser‘ kann eben nicht sofort als Zugangskontrolle im Lebensmitteleinzelhandel eingesetzt werden.” Für die Veranstaltungsordnungsdienste wirkte sich hingegen besonders nachteilig aus, dass eine Dienstleistungsdiversifikation mit einem hohen Anteil an Minijobbern nur eingeschränkt möglich ist. Ein „Platzanweiser“ kann eben nicht sofort als Zugangskontrolle im Lebensmitteleinzelhandel eingesetzt werden. Hierzu bedarf es einer Qualifikation, die in den meisten anderen Sicherheitsbranchen standardmäßig vorhanden ist. Dieser Umstand macht den Veranstaltungsordnungsdienst in der Krise deutlich weniger flexibel. Der Substanzverlust blieb auch deshalb hoch, da die nötigen Qualifikationen unter Lockdown-Bedingungen in der Breite nur schwer zu erreichen waren. IHK-Unterrichtungen oder IHK-Sachkundeschulungen nach § 34a GewO fanden während der Pandemie nur sehr eingeschränkt statt und Prüfungstermine waren Mangelware. Die Quartalsberichte der Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See aus den vergangenen drei Jahren zeigen diese Entwicklung eindrucksvoll. Waren im Dezember 2019 noch ca. 221.000 Minijobber im Bereich „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ beschäftigt, waren es im März 2021 nur noch ca. 107.000. Das entspricht einem Rückgang um ca. 52 Prozent. Eine ähnliche negative Entwicklung konnte nur noch der Bereich „Gastronomie“ verzeichnen, der mit einem Minijobberschwund von ca. 59 Prozent den Spitzenplatz belegt. Kleinere Dienstleister verschwinden vom Markt Darüber hinaus wurde ein weiteres „Problem“ der Veranstaltungssicherheit offenbar. Aufgrund des aufwendigen und personalintensiven Geschäftsmodells gibt es nur wenige große Unternehmen in der Branche, die überwiegend als Hauptauftraggeber fungieren. Der Großteil der Sicherheitsunternehmen im Veranstaltungsbereich besteht aus eher kleinen Unternehmen mit weniger als 20 festen Mitarbeitern. Diese sind geschäftlich eng mit den Hauptauftraggebern verbunden. Fallen die Aufträge der Hauptauftraggeber krisenbedingt weg, stehen diese Nachunternehmen oftmals ohne eigene Aufträge da und es droht das Aus. „Viele Dienstleister mussten im zweiten Lockdown aufgeben.“ Eine Erhebung des Münchner Ifo Instituts aus dem April 2020 zeigt: Nur 47 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland gaben an, dass sie noch länger als sechs Monate überleben könnten, wenn die pandemiebedingten Einschränkungen weiterhin bestehen blieben. Rund 30 Prozent der Unternehmen gaben an, dass sie noch maximal drei Monate überstehen würden. Dies führte in der Veranstaltungssicherheit zu einer hohen Anzahl von Ausfällen bei Dienstleistern. Spätestens mit Beginn des zweiten Lockdowns waren viele Unternehmen am Rande ihrer existenziellen Möglichkeiten und mussten aufgeben. Durch die Coronapandemie wurde die Vulnerabilität der Branche offenbar. Mühsam über viele Jahre aufgebaute Geschäftsbeziehungen mit zuverlässigen und qualifizierten Dienstleistern wurden quasi über Nacht zerstört. Die Branchenführer konnten zusehen, wie ihnen die Geschäftspartner Stück für Stück wegbrachen und sie auch selbst stark an Substanz verloren. Mit dem Impfstoff kommt die Wende Mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen zum Jahresende 2020 änderten sich erstmals die Möglichkeiten. Die laut Focus Online bis zu 442 Impfzentren und ca. 15.000 Teststationen, die ab Winter 2020 in Deutschland errichtet wurden, boten für viele Sicherheitsdienstleister eine echte Alternative und

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